Brüssel

Der Einfluss der Deutschen in der EU

Mit der neuen Regierung soll auch ein neuer Fokus in die Europapolitik Deutschlands kommen. Spannend wird die Frage sein, wie sich das auf die Personalpolitik auswirkt.

Der Einfluss der Deutschen in der EU

Glaubt man dem Koalitionsvertrag, wird die künftige Bundesregierung einen ganz neuen Fokus auf die Europapolitik legen. Abzuwarten bleibt aber, ob sich dieser auch in mehr Engagement bei der Besetzung wichtiger Posten in Brüssel niederschlägt. Zwar sind gerade im Wirtschafts- und Finanzbereich aktuell wichtige Institutionen unter deutscher Führung – von der Europäischen Investitionsbank (Werner Hoyer) über den Euro-Rettungsfonds ESM (Klaus Regling), die EU-Bankenabwicklungsbehörde (Elke König) bis hin zum EU-Rechnungshof (Klaus-Heiner Lehne). Aber vor allem in Rat und Kommission sind die Deutschen bekanntlich stark unterrepräsentiert. Nach jüngsten Zahlen kamen in der EU-Kommission von den 32300 Beamten gerade einmal 6,5% aus Deutschland. Dabei beträgt der deutsche Bevölkerungsanteil in der EU fast 19%.

*

Dies wird auch die Ampel-Koalition nicht groß ändern. Doch sie könnte den Blick stärker auf die Besetzung von Schlüsselpositionen in der zweiten Reihe richten, beispielsweise in den Generaldirektionen, den Kabinetten der Kommissare oder auch im Rats-Sekretariat. Es ist in Brüssel ein offenes Geheimnis, dass die Regierungen in Paris und Rom hier strategischer agieren, um die eigenen Leute in Stellung zu bringen, während aus Berlin oft kaum mehr als gepflegtes Desinteresse kommt. Im Falle des anstehenden Chefwechsels in der Rats-Generaldirektion Wirtschaft war dies zuletzt auch zu beobachten – dennoch wird hier überraschend wohl ein Deutscher das Rennen machen, wie in Brüssel zu hören ist. Carsten Pillath, der sich in den Ruhestand verabschiedet, war mehr als ein Jahrzehnt der wohl wichtigste Koordinator aller Eurogruppen- und Ecofin-Sitzungen gewesen. Sein Nachfolger wird in den nächsten Tagen offiziell benannt.

*

Dass ein Arbeitsplatz in der EU-Kommission grundsätzlich durchaus noch Strahlkraft besitzt, musste in den letzten Monaten leidvoll der Single Resolution Board (SRB) erfahren, dem zahlreiche Mitarbeiter abgeworben wurden. Denn die Kommission kann nicht nur unbefristete Verträge, sondern auch einen Beamtenstatus bieten, was bei vielen immer noch ein entscheidendes Argument zu sein scheint. SRB-Chefin König kann sich zwar grundsätzlich über die Wertschätzung, die ihre Mitarbeiter auch in anderen Institutionen erfahren, freuen. Aber dennoch muss sie jetzt noch deutlicher aufstocken: Aktuell hat die Abwicklungsbehörde 360 bis 370 Mitarbeiter. Das Budget sieht eigentlich 450 Stellen vor.

*

Im EU-Parlament kommen übrigens genau die Hälfte der 96 deutschen Abgeordneten von den drei Ampel-Parteien. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie war der einflussreichste dieser Abgeordneten der grüne Finanzexperte Sven Giegold – und der wechselt bekanntlich als Staatssekretär nach Berlin.

             (Börsen-Zeitung,

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.