LEITARTIKEL

Der Innogy-Deal bröckelt

Als Eon und RWE im März ankündigten, wie sie Innogy unter sich aufteilen wollen, herrschte Verblüffung wegen der glasklaren Logik des Deals, der (angeblich) nur Gewinner produziert. Deutschland bekommt zwei neue Energie-Champions in Essen: Eon als...

Der Innogy-Deal bröckelt

Als Eon und RWE im März ankündigten, wie sie Innogy unter sich aufteilen wollen, herrschte Verblüffung wegen der glasklaren Logik des Deals, der (angeblich) nur Gewinner produziert. Deutschland bekommt zwei neue Energie-Champions in Essen: Eon als Europas größten Stromverteiler, RWE als Deutschlands größten Stromerzeuger. Von allen Seiten kam Applaus, sogar von den Gewerkschaften IG BCE und Verdi. Politiker reagierten erleichtert, weil sie angesichts der deutschen Lösung nicht rechtfertigen mussten, warum ein “böser Ausländer” – etwa in Gestalt der spanischen Iberdrola als Bieterkonkurrent für Innogy – ins Land gelassen wurde.Nur zwei Monate später ist ein Großteil der anfänglichen Euphorie verflogen. Der Deal bröckelt an allen Ecken und Enden. Noch immer gibt es keinen einklagbaren Vertrag zwischen den drei Konzernen, der die Innogy-Beschäftigten vor einer drohenden strukturellen Benachteiligung schützen würde. Im Poker um genau eine solche vertragliche Vereinbarung könnte Innogy-Chef Uwe Tigges, der von Goldman Sachs und Deutscher Bank beraten wird, vielleicht sogar schon sein Blatt überreizt haben. Mit der Androhung des Verkaufs des Innogy-Gasnetzes in Tschechien im Wert von 1,7 Mrd. Euro an den Finanzinvestor Macquarie geht Tigges den Oberen bei Eon und RWE nicht nur auf die Nerven, weil Eon das Gasnetz gern bei sich sähe.Der Verkauf würde auch noch ein weiteres Risiko für die Innogy-Beschäftigten bergen: Gibt der Konzern, der zerschlagen werden soll, einen weiteren Teil des operativen Geschäfts ab, dann verschlechtert sich weiter das unvorteilhafte Verhältnis zwischen einem Wasserkopf an Verwaltung in der Essener Zentrale und den operativen Einheiten. Der Bedarf für Stellenabbau, den Eon-Chef Johannes Teyssen im fusionierten Eon-Innogy-Konzern mit 70 000 Beschäftigten auf 5 000 Stellen beziffert hat, würde sich dadurch jedenfalls nicht gerade verringern. Tigges hätte sich und den Beschäftigten mit dem Pokerspiel um das tschechische Gasnetz einen Bärendienst erwiesen, wenn er wegen der Verärgerung des alten und des neuen Eigentümers nun keinerlei verbindliche Beschäftigungszusagen erhielte.Auch an anderer Stelle droht der Deal weitaus schwieriger zu werden, als bisher erkennbar war. Wenn es um kartellrechtliche Fragen der 22 Mrd. Euro schweren Mega-Transaktion ging, wurde bislang einfach abgewiegelt. Die Netze seien ohnehin ein reguliertes Monopol. Und im Stromvertrieb werde Eon nur auf einen Marktanteil von schlimmstenfalls einem Viertel kommen. Auch in der Erzeugung, die bei RWE gebündelt wird, gebe es mit 30 % kein Problem einer Konzentration der Marktmacht.Beide Probleme werden aus erkennbarem Interesse kleiner gezeichnet, als sie sind. Schon hat Kartellamtschef Andreas Mundt angekündigt, dass er die Stellung von RWE in der konventionellen Stromerzeugung mit einem Marktanteil von deutlich über 30 % genauer unter die Lupe nehmen will, falls er neben der EU-Kommission zuständig ist und RWE wie bislang geplant zwei Atomkraftwerks-Minderheitsbeteiligungen von Eon erhält. Da die Atomkraftwerke ohnehin 2022 vom Netz gehen, handelt es sich um ein vorübergehendes Problem, doch auch ein solches muss gelöst werden.Kaum weniger schwierig wird es mit der Verzahnung von Netz und Vertrieb bei Eon. Nehmen die Kartellwächter auch Minderheitsbeteiligungen von Eon und Innogy an Stadtwerken in den Blick, dann kommt Eon in einigen Regionen auf einen Marktanteil in der Grundversorgung von 52 %. In Eon-Gebieten kostet die Kilowattstunde rund 30 Cent, in Innogy-Gebieten rund 28 Cent. Kaum etwas spricht dafür, dass die beiden Konzerne sich nach der Fusion im Interesse der Kunden auf dem unteren der beiden Preisniveaus zusammenfinden.Anders als Eon und RWE glauben machen wollen, wird der Deal, der erst Ende 2019 zum Abschluss kommen soll, kein Spaziergang werden. Die meisten Akteure haben die Schwierigkeiten unterschätzt. Die Gewerkschaften mit ihrem Jubel, bevor es Beschäftigungszusagen und einen verbindlichen Interessenausgleich der Belegschaften der drei Konzerne gab. Die Politik mit ihrem Applaus, bevor sichergestellt war, dass die große deutsche Lösung zur Neuordnung des Energiemarktes nicht den Wettbewerb zulasten der Verbraucher einschränkt. Am Ende kann nun die Sorglosigkeit auch noch die Aktionäre aller drei Konzerne treffen – wenn die Dauer der Transaktion den Geschäftserfolg von Innogy beeinträchtigt und kartellrechtliche Auflagen zum Bröckeln der Fusion führen.— Von Christoph RuhkampNur zwei Monate nach dem Start des Megadeals zur Neuordnung der Energiebranche ist ein Großteil der Euphorie verflogen. Die Risiken nehmen zu. —