Kanzlerkandidatur

Der Kampf ist eröffnet

Armin Laschet hat im Kampf um die Kanzlerkandidatur Steherqualitäten bewiesen. Die braucht er. Für einen Wahlsieg der Union muss er aufholen.

Der Kampf ist eröffnet

Armin Laschet hat im Kampf um die Kanzlerkandidatur in der Union Steherqualitäten bewiesen. Der CDU-Vorsitzende hat sich in hartem Ringen gegen CSU-Chef Markus Söder durchgesetzt. Laschet hat strategisch geschickt und machtbewusst agiert – und Haltung bewahrt. Mitten in der tosenden Auseinandersetzung um seine Person diskutierte er am Montag in einer Runde beim 22. Bankentag des privaten Bankgewerbes mit, als hätte er nichts Wichtigeres an diesem Tag zu tun. Die gleichfalls angekündigte Annalena Baerbock, die sich als Kanzlerkandidatin der Grünen ausrufen ließ, passte – und schickte den grünen Fraktionschef als Ersatzmann.

Laschet hat Qualitäten gezeigt, die der Kanzler einer großen Industrienation braucht, die in der Welt ernst genommen werden will. Für ihn ging es um alles. Söder spielte dagegen den deutlich gefahrloseren Part in dem Duell. Der bayerische Ministerpräsident konnte seine Popularität in einer Phase des Machtvakuums in der CDU ausspielen. Das ist am Ende zwar nicht gelungen, aber Söder hat dabei kaum Schaden genommen. Die CDU-Spitze hat in ihrer Entscheidung für Laschet mehr auf die innere Stärke der Partei geschaut und dies höher bewertet als den wohl leichteren Wahlsieg mit Söder als Kandidaten. Damit hat sie gegen die Machtansprüche aus Bayern gehalten, von denen die CSU ohnehin immer mehr durchsetzt, als ihr nach Wählerprozenten zustehen würden. Dies ging nicht ohne Blessuren ab. Gemessen an früheren Wechseln im Kanzleramt und an der Parteispitze nach einer langen Phase der Kontinuität sind die Schäden jedoch vergleichsweise gering. Zudem: Angela Merkel wird erhobenen Hauptes und auf eigenen Wunsch das Kanzleramt verlassen. Das gab es noch nie.

Es ist kein Geheimnis, dass die Wirtschaft Söder als Kanzlerkandidaten vor Laschet favorisiert hat. Die Industrieführer und Unternehmer bauen auf einen Wahlsieg der CDU/CSU, die unter den Parteien mit Aussicht auf das Kanzleramt den wirtschaftsfreundlichsten Kurs fährt. Ein Wahlsieg der Union ist den Demoskopen zufolge keineswegs mehr so gewiss, wie er noch vor Wochen schien. Die Grünen sind der CDU/CSU auf den Fersen. Wirtschaftskompetenz ist in allen Umfragen unverändert das Markenzeichen der Union. Diese zählt besonders in Wirtschaftskrisen und in der Phase, die wieder in Zeiten von Wachstum führen sollen. Die Aktien für einen Wahlsieg der Union mit Söder stehen besser als mit Laschet. Dafür sprechen die seit Wochen deutlich besseren Zutrauenswerte für die Kanzlereignung in der Wahlbevölkerung, auch unter den Unionswählern. Wahr ist, dass Umfragewerte kein Garant für einen Wahlsieg sind. Sie brechen schnell zusammen, wenn die Stimmung kippt. Der CDU-Politiker und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist ein Beleg dafür. So schnell die Zerstörung geht, so langsam dauert aber deren Aufbau. Laschet hat keine Zeit zu verlieren.

Die Konstellation ist in diesem Bundestagswahlkampf neu und besonders. Erstmals gehört die jeweilige Amtsinhaberin respektive der Amtsinhaber nicht zum Feld der Kandidaten für das Kanzleramt. In Zeiten, in denen Personen in Wahlkämpfen mehr zählen als Inhalte von Wahlprogrammen, warten die Grünen mit einer jungen, frischen, wenn auch regierungsunerfahrenen Kandidatin auf. Baerbock verspricht Bewegung und neue Zeiten in der Politik. Das Wahlprogramm der Grünen ist indessen keineswegs so liberal. Es trägt die Handschrift von Regulierung. Die meiste Regierungserfahrung im Bund und international bringt SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit. Er operiert indessen auf einer Parteibasis, die ihn nicht als Vorsitzenden haben wollte, und mit einer Parteiführung, die von einem linken Bündnis träumt. Darin würde die SPD nach den Grünen aber nur die zweite Geige spielen. Sowohl die Grünen als auch die SPD wollen die Wirtschaft belasten.

Die Spieler im Kampf um das Kanzleramt bei der Bundestagswahl im Herbst stehen nun. Die CSU kann zeigen, dass die angekündigte Unterstützung aus Bayern tatsächlich kommt. Weitere Grabenkämpfe kann sich die Union nicht leisten. Die CDU muss wieder Geschlossenheit unter der neuen Führung von Laschet üben. Im Herbst wird die wirtschaftliche Lage eine andere sein. Die fortschreitende Impfkam­pagne wird auch das Wirtschaftsleben wieder normalisieren und die von Hilfen überdeckten Coronaschäden offenlegen. Die Kandidaten werden im aufziehenenden Wahlkampf unter zusätzlichem Druck stehen, den die politischen Gegner auf sie ausüben: Zeit für Steherqualitäten im Kampf ums Kanzleramt.(Börsen-Zeitung, 21.4.2021)