KommentarDigitaler Euro

Der Mehrwert muss stimmen

Beim digitalen Euro haben EU-Kommission und Europäische Zentralbank noch viel Überzeugungsarbeit vor sich.

Der Mehrwert muss stimmen

Digitaler Euro

Der Mehrwert muss stimmen

Von Stefan Reccius

Beim digitalen Euro ist noch viel Überzeugungsarbeit vonnöten.

Braucht die Welt einen digitalen Euro? Eine überzeugende Antwort hat bislang niemand geben können. Auch nicht die EU-Kommission. Vordergründig schlägt sie einen gesetzlichen Rahmen mit reichlich Entscheidungsspielraum für die Europäische Zentralbank (EZB) vor. Zwischen den Zeilen lässt sie indes kaum Zweifel, dass sie sich für die Einführung eines digitalen Euro für Privatkunden starkmacht.

Die ungeklärte Frage nach dem Mehrwert riskiert die Akzeptanz des gesamten Projekts. Klar: Bargeld ist immer weniger gefragt. Aber der Abschied vom Bargeld ist gerade nicht das übergeordnete Ziel, ganz im Gegenteil. Für digitales Bezahlen wiederum gibt es längst eine Reihe funktionierender Zahlungssysteme.

Den Befürwortern geht es einerseits um strategische Autonomie. Die US-Konzerne Visa und Mastercard dominieren in der EU. Ihnen mithilfe eines digitalen Euro Marktanteile streitig machen zu wollen, führt auf gefährliches Territorium. Der digitale Euro sollte gerade nicht in Konkurrenz zu privaten Zahlungsdiensten treten, gleich woher sie kommen.

Nachvollziehbar ist das Ansinnen, auch im rein digitalen Raum eine Form von öffentlichem Geld zu bewahren. Hier fehlt tatsächlich ein Äquivalent zu Bargeld. Digitales Zentralbankgeld als „monetärer Anker“? Das ist eine zutreffende Umschreibung, allerdings denkbar abstrakt und schwierig zu vermitteln. Begeisterung entfacht es jedenfalls nicht.

Außerdem drohen beträchtliche Nebenwirkungen. Der digitale Euro ist für Kunden eine Verlockung, Geld aus Bankeinlagen abzuziehen und in Zentralbankgeld umzuschichten. Was den Banken schon in normalen Zeiten Sorgen bereitet, kann in der Krise plötzlich in ein ernstes Risiko für die Finanzstabilität umschlagen. Per Mausklick lassen sich in Windeseile beliebige Summen abziehen, leichter und schneller als am Geldautomaten. Das haben die Bankenturbulenzen um Silicon Valley Bank und Credit Suisse eindrucksvoll gezeigt.

Um das zu verhindern, sollen Bestände in digitalen Euro unverzinst und gedeckelt sein. Der digitale Euro soll also jedem Bürger offenstehen, aber doch wieder nicht so attraktiv sein, dass alle ihn ständig nutzen – ein Widerspruch in sich.

Braucht die Welt also einen digitalen Euro? Nach Lage der Dinge geht es im Alltag ohne. Es ist keinesfalls sicher, dass nach Abwägen aller Vor- und Nachteile der Nutzen die Risiken überwiegt. Unternehmen und Finanzprofis könnten digitales Zentralbankgeld in tokenisierter Form dagegen sehr gut gebrauchen. Leider schweigt sich die EU-Kommission dazu aus – und lässt ausgerechnet im vielversprechendsten Anwendungsbereich eine Leerstelle.

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