Notiert inMadrid

Der verfolgte Strafverfolger

Spaniens Ministerpräsident Sánchez gerät durch Skandale zunehmend unter Druck. Jetzt droht dem Generalstaatsanwalt selbst ein Verfahren.

Der verfolgte Strafverfolger

Notiert in Madrid

Der verfolgte Strafverfolger

Von Thilo Schäfer

Wer über Pfingsten in Madrid weilte, könnte den Eindruck gewonnen haben, dass die Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez kurz vor dem Ende steht. Zehntausende Demonstranten mit fast so vielen spanischen Flaggen füllten die ikonische Plaza de España und die angrenzende Gran Vía. Mit dem Schlachtruf „Libertad“ („Freiheit“) wetterten die Menschen gegen Sánchez. Einberufen hatte die Demonstration die konservative Volkspartei PP unter dem schrillen Motto „Mafia oder Demokratie“. Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo forderte den Rücktritt des Regierungschefs und Neuwahlen. In den Augen der Konservativen und Teilen der Gesellschaft steckt der Ministerpräsident tief im Korruptionssumpf. Die Ermittlungen gegen seinen früheren Bauminister sind ernst. Auch gegen Sánchez‘ Ehefrau und dessen Bruder geht die Justiz vor, wobei die Gründe etwas erzwungen wirken.

Strafverfahren gegen Generalstaatsanwalt

Am Tag nach der Demo in der Hauptstadt bekam die PP neue Munition. Der Oberste Gerichtshof sieht Anlass für ein Strafverfahren gegen den Generalstaatsanwalt wegen Offenlegung von Geheimnissen. Álvaro García Ortiz wurde von Sánchez benannt und könnte nun der erste Generalstaatsanwalt werden, der auf der Anklagebank landet. Die Regierung stellte sich hinter García Ortiz, der einen Rücktritt ablehnt. Der Hintergrund ist bizarr. Der Lebenspartner von Isabel Díaz Ayuso, der mächtigen Ministerpräsidentin der Region Madrid, Alberto González Amador hinterzog mit falschen Rechnungen und Scheinfirmen Steuern in Höhe von 350.000 Euro. Das Kommunikationsteam der konservativen Politikerin streute an nahe stehende Medien, dass die Staatsanwaltschaft dem Steuerhinterzieher einen Deal angetragen hätte. In Wirklichkeit war es jedoch genau umgekehrt. Der Anwalt von González Amador machte ein Schuldeingeständnis, um seinen Mandanten vor einer Haftstrafe zu bewahren. Die entsprechende E-Mail soll der Generalstaatsanwalt höchstpersönlich an die Medien kolportiert haben.

Für die Regierung steht die Welt Kopf

Der Richter des Tribunal Supremo, Ángel Hurtado, verfolgt die vermeintliche Verletzung der Privatsphäre des Partners von Díaz Ayuso durch den Generalstaatsanwalt. Für die Regierung und linke Medien stellt das die Welt auf den Kopf. Der Strafverfolger wird selbst zum Opfer des Straftäters, einem Steuerhinterzieher, der seine Tat gestanden hat. Die kämpferische Díaz Ayuso hält das Vorgehen der Justiz gegen ihren Freund für einen Beweis dafür, dass Sánchez Spanien in eine Diktatur verwandele. Auf der Demo am Sonntag lobte die Konservative die „Kultur der Anstrengung und Aufrichtigkeit“.

Sánchez schweigt seit Wochen zu den Vorwürfen. Die Linksregierung erinnert daran, dass die PP 2018 von einem Gericht als Nutznießer eines großen Korruptionsschemas verurteilt worden war. Damals stürzte Sánchez den Konservativen Mariano Rajoy durch ein Misstrauensvotum. Núñez Feijóo fehlen dazu aber die Stimmen im Parlament. Ihm bleibt vorerst nur die Straße.

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