Notiert inBerlin

Die Begierde nach herrenlosen Konten

Milliardenbeträge hüten Banken und Sparkassen auf Konten und Depots, zu deren Inhabern sie keinen Kontakt mehr haben. Nun strebt die Ampel-Regierung den Zugriff auf diese Gelder an.

Die Begierde nach herrenlosen Konten

Notiert in Berlin

Konto ohne Nachricht

Von Angela Wefers

Not macht erfinderisch. Milliardenbeträge schlummern auf Konten der deutschen Banken und Sparkassen, die niemandem gehören. Zumindest ist nicht bekannt, wem sie gehören. Dieser nicht gehobene Schatz weckt nicht erst neuerdings die Begierde von Politikern und beflügelt ihre Fantasie. Vieles ließe sich damit in Zeiten knapper gefüllter öffentlicher Kassen bewirken, das als politischer Erfolg verbucht werden könnte. Nun wird der Fall konkret.

Hoffnung auf Milliarden

Auf 2 bis 9 Mrd. Euro wird das Vermögen auf nachrichtenlosen, unbewegten und herrenlosen Konten geschätzt. Genau weiß das niemand. Zu den Inhabern haben die Kreditinstitute den Kontakt verloren. Während es in anderen Ländern wie etwa der Schweiz oder Liechtenstein Regelungen zum transparenten Umgang mit solchen Konten gibt, fehlen diese hierzulande. Es gibt aber ernsthafte Versuche: Eine Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz und der Finanzministerkonferenz hatte einen Vorschlag erarbeitet, der im vergangenen Frühjahr in eine Gesetzesinitiative von Niedersachsen und Bremen im Bundesrat mündete. Die Informationen über „unbekannte Geld- und Wertpapiervermögen Verstorbener“ sollen veröffentlicht werden – in einem neuen Register. Erben können dort Konten und Depots des Erblassers suchen. Bislang führt der Weg über die kreditwirtschaftlichen Verbände – getrennt nach Säulen. Nachfragen „ins Blaue” verhindert das Bankgeheimnis. In Zeiten des Online-Bankings findet sich immer seltener noch ein altes Sparbuch.

Die Ampel-Regierung hat allerdings selbst Interesse an diesen herrenlosen Vermögen. Den Gesetzentwurf des Bundesrats lehnte sie vor einigen Wochen mit der Begründung ab, sie verfolge einen “weitergehenden Ansatz”. Sie wolle einen Rechtsrahmen schaffen, um “Guthaben auf nachrichtenlosen Konten zur Förderung des Gemeinwohls nutzen zu können“. Diese Regelung soll explizit alle nachrichtenlosen Konten erfassen, nicht nur die Verstorbener.

Grenzenlose Fantasie

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wie und wo die Mittel eingesetzt werden könnten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) braucht Geld für das Generationenkapital der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Kapitaldeckung erfordert 10 Mrd. Euro jährlich in der nächsten Dekade und darüber hinaus. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) denkt darüber nach, wie er die Bundeswehr ausstattet, wenn das Sondervermögen von 100 Mrd. Euro aufgebraucht ist. Wirtschaftsminister Robert Habeck braucht 24 Mrd. Euro für die Subvention von Industriestrom. Dafür hat er Rückdeckung in der SPD, aber kein Geld.

Die Pläne der Ampel bleiben abzuwarten. Noch in ihrer Oppositions-Zeit hatten FDP und Grüne in parlamentarischen Initiativen Ideen enthüllt. Die Liberalen forderten, die Guthaben als Risikokapital dem Zukunftsfonds der KfW Capital zuzuführen. Die Grünen fragten bei der Regierung nach, ob sich das britische Modell der Big Society Capital auf Deutschland übertragen lasse. Die Förderbank investiert in Impact-Projekte für eine bessere und gerechtere Gesellschaft. Das klingt durchaus noch nach Diskussionsbedarf.

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