Leitartikel Chinas Geldpolitik im Zwiespalt

Die ganz besondere Zinsfalle

Chinas Konjunktur kann Zinsimpulse gut gebrauchen. Die Zentralbank tut sich allerdings denkbar schwer damit, weil sie am Bondmarkt ganz andere Ziele hat.

Die ganz besondere Zinsfalle

Chinas Geldpolitik

Die ganz besondere Zinsfalle

Chinas Konjunktur kann Zinsimpulse gut gebrauchen. Die Zentralbank tut sich allerdings denkbar schwer damit.

Von Norbert Hellmann

Dass nachlassende Konjunkturkräfte eine Zentralbank mit Zinsimpulsen auf den Plan rufen, ist nichts Ungewöhnliches. Chinas jüngste Zinssenkungsrunde verbürgt sich allerdings für eine ganze Reihe von Besonderheiten. Sie wecken Zweifel, dass Peking den aktuellen Konjunkturproblemen mit beherzter monetärer Lockerung tatsächlich zu begegnen weiß. Gleichzeitig offenbaren sie einen ungewöhnlichen Zielkonflikt, mit dem sich die People’s Bank of China (PBOC) derzeit herumschlagen muss.

Symbol für Konjunkturpessimismus

Die Notenbank versucht mit verschiedenen Zinshebeln, die am Boden liegende Nachfrage nach Unternehmens- und Hypothekenkrediten zu beleben. Sie will aber gleichzeitig verhindern, dass die Renditen für langfristige Staatsanleihen immer weiter sinken. Hinter dem Rekordtief bei den Bondrenditen steht der Drang der institutionellen wie auch privaten Marktteilnehmer zu sicheren Anlagen. Er ist zu einem Symbol für latenten Konjunkturpessimismus in China geworden und entsprechend unerwünscht.

Bondgeschäft ist Trumpf

Auf der einen Seite verstärkt der Griff nach den tief hängenden Früchten am Bondmarkt die Abkehr von der Aktienanlage. Die Leitindizes an Chinas Börsen bleiben im Keller. Dies färbt auch auf das breitere Wirtschaftsvertrauen und die Konsumstimmung negativ ab. Auf der anderen Seite sehen die mit extrem niedrigen Zinsmargen konfrontierten chinesischen Banken zusätzliche Anreize, eher mit Bondgeschäften als riskanten Unternehmenskrediten ein Auskommen zu finden. Das durchkreuzt die Pläne zur kreditgeleiteten Konjunkturankurbelung.

Signal für Intervention

Chinas Notenbank hat sich auf ihre Weise der Sache angenommen. Nachdem alle Aufrufe an Banken und Broker, von der Bondspekulation Abstand zu nehmen, wenig fruchteten, gab sie Anfang Juli bekannt, dass sie erstmals Wertpapierleihe-Geschäfte für Staatsbonds anbahnt. Dahinter steht der Gedanke, Spielmasse für Interventionen am Anleihemarkt aufzubauen, um bei Bedarf mit gezielten Bondverkäufen die Rally abzukühlen. Grundsätzlich scheut man in China die Vorstellung, dass die Zentralbank bei Staatsanleihen mitmischt. Aktionen westlicher Notenbanken, die sich seit der Finanzkrise mit dem Ankauf von Staatsanleihen zum „Quantitative Easing“ (QE) bekennen, werden als Spiel mit dem Feuer kritisiert.

QE mit umgekehrten Vorzeichen

Mit QE hantieren Zentralbanken, wenn Leitzinsen bereits so weit gesenkt wurden, dass man nur noch über den Ankauf von Staatsanleihen weitere monetäre Lockerungseffekte zu erzielen vermag. In China liegt der Fall ganz anders. Das Niveau der von der PBOC direkt beeinflussten Zinssätze liegt zwischen 1,7 und 2,3%. Die zehnjährige Bondrendite liegt auch zum Rekordtief noch über 2,1%. Man ist also noch weit von der Nulllinie entfernt. Und was auch immer die PBOC am Bondmarkt vorhat, ist im Prinzip das Gegenteil von QE. Man würde ja nicht als Erwerber, sondern als indirekter Verkäufer von Staatsschuldtiteln auftreten.

In jedem Fall hapert es bei der Transmission von Zinsimpulsen auf die Realwirtschaft. Das hat die PBOC zu einer ungewöhnlichen Lockerungsaktion veranlasst. Erst wurde der Zins für einwöchige Repo-Geschäfte von 1,8 auf 1,7% gesenkt, also über die Geldmarktseite agiert. Wenige Tage später erst nahm die PBOC den bislang in einer Leitfunktion stehenden Zins auf Gelder im Rahmen der Medium-Term Lending Facility (MLF) kräftiger von 2,5 auf 2,3% zurück.

Verwirrung zum „Leitzins“

Mit der spärlich erläuterten Aktion scheint die PBOC bekunden zu wollen, dass sie den Repo-Satz am Geldmarkt in einer neuen Leitrolle sieht. Gleichzeitig aber scheint man dem MLF-Zins weiter größere Bedeutung in der Ausstrahlung auf Kreditkonditionen und konjunkturelle Anschubwirkung beizumessen. Entsprechend wurde hier hastig nachgebessert. Die Märkte können mit dem Mixed Messaging ziemlich wenig anfangen. Es herrscht Verwirrung statt der üblichen Begeisterung über Zinssenkungen. Aus der von Peking sehnlich erhofften Aktien-Rally wird nichts. Kein Wunder: Weder weiß man, wie monetäre Lockerung derzeit funktioniert, noch gibt es Anlass, von der vielversprechenden Bondanlage abzurücken.

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