Notiert in FrankfurtDie Adler vom Main

Die gefühlten Ultras der Eintracht

Immer mehr Frankfurter schließen sich als Mitglied der Eintracht an. Auf der Tribüne geriert sich manches Neumitglied als 150%iger Hardcore-Fan, obwohl er unten im Rund nicht einmal Daichi Kamada von Randal Kolo Muani auseinanderhalten kann – zum Leidwesen der Anhänger, die seit Jahrzehnten den Adler auf der Brust haben.

Die gefühlten Ultras der Eintracht

Notiert in Frankfurt

Die gefühlten Eintracht-Ultras

Von Detlef Fechtner

Nicht die Deutsche Bank, nicht die Commerzbank und auch nicht die Bundesbank oder die Europäische Zentralbank: Nein. Die wichtigste Frankfurter Personalie der vergangenen Tage kommt von Eintracht Frankfurt. Denn Eintracht-Präsident Peter Fischer hat angekündigt, sein Amt Anfang nächsten Jahres vorzeitig aufzugeben. Warum diese Personalie so etwas Besonderes ist? Zum einen, weil Fischer seit sage und schreibe 23 Jahren Präsident ist. Das bedeutet, dass mindestens ein Drittel der Zuschauer im Waldstadion die Eintracht gar nicht ohne Fischer kennt. Und das will etwas heißen, weil Fischer, anders als Präsidenten anderer Vereine, zu denen gehört, die in der Öffentlichkeit präsenter sind als mancher Spieler. Und berühmt-berüchtigt für seine klaren Standpunkte.

Das gilt im Besonderen für die Abgrenzung gegen rechtes Gedankengut und Rassismus. Der Mann, dessen Stimme so rauchig klingt, als habe er Reißzwecken gegurgelt, prägt mehr als jeder andere das Image der Eintracht als ein Verein, der sich um Integration und Migration bemüht – als „United Colors of Bembeltown“.

Fischer kann zudem für sich verbuchen, dass sich die Eintracht unter seiner Präsidentschaft sportlich nach oben bewegt hat. Zur Erinnerung: Um die Jahrtausendwende war der Klub noch eine Aufzugmannschaft – vier Abstiege und vier Aufstiege zwischen 1996 und 2012.

Und der Zwei-Meter-Mann kann sich rühmen, dass sich die Mitgliederzahl in seiner Amtszeit vervielfacht hat – von einst 5.000 auf 125000. Scheinbar trägt kaum noch jemand zwischen Bonames und Sachsenhausen nicht den Adler auf der Brust – oder zumindest den Eintracht-Babber auf dem Auto.

Viele langjährige Fans verspüren angesichts des Zustroms an Mitgliedern freilich die Neigung, sich stärker abzugrenzen. Das dürfte damit zu tun haben, dass sich manch neuer Anhänger als 150-prozentiger Eintracht-Fan geriert, sozusagen als gefühlter Ultra. Quasi so, als habe er schon Grabi, Holz und Dr. Hammer angefeuert, wenn nicht gar Alfred Pfaff. Empört berichten Fans, die seit Jahrzehnten samstags ins Stadion im Stadtwald pilgern, dass sie dort auf Tribünengäste treffen, die zwar mit Eintracht-Fanartikeln geschmückt sind wie ein Pfingstochse, die aber nicht einmal Daichi Kamada und Randal Kolo Muani auseinanderhalten können. Konstantin Wecker hat vor langer Zeit einmal alle die verhöhnt, die sich einer Bewegung nur anschließen, weil es gerade Mode ist. „Wenn schon die Schickeria ihren Porsche gegen einen 2CV umtauscht, dann muss doch etwas faul sein an der Revolution.“

Was für politische Bewegungen gilt, gilt auch für Fußball-Fangemeinden. Von dem, der nur dabei ist, weil es hip ist, will man sich differenzieren. Um ja nicht mit solchen Neu-Eintrachtlern, die den Verein nur auf einstelligen Tabellenplätzen kennen, verwechselt zu werden, zieht sich mancher Traditions-Fan beim Ausflug ans Oberforsthaus mittlerweile lieber alte Trikots mit den Schriftzügen von Tetrapak, Portas, Remington oder Hoechst an – und nicht mit Krombacher oder Indeed. Das eindeutige Signal: Ich habe nicht nur Österreicher auf der Trainerbank erlebt. Das Selbstverständnis der langjährigen Anhänger kommt in einem Aufkleber zum Ausdruck, der immer häufiger von Autohecks auf den Parkplätzen am Gleisdreieck prangt:  „Ich fand uns auch gut, als wir noch schlecht waren.“