KolumneUnterm Strich

Die nächste Phase der Globalisierung

Die Globalisierung tritt in ihre nächste Phase. Sie wird den Wohlstand mehren, wenn marktwirtschaftliche Prinzipien mehr zählen als Protektionismus und Subventionitis.

Die nächste Phase der Globalisierung

Die nächste Phase der Globalisierung

Von Claus Döring

Die Globalisierung tritt in ihre nächste Phase. Sie wird den Wohlstand mehren, wenn marktwirtschaftliche Prinzipien mehr zählen als Protektionismus und Subventionitis.

Das vermeintliche Ende der Globalisierung gehört zu den Narrativen dieser Tage. Unter dem Eindruck von Pandemie, Lieferkettenproblemen, Russland-Ukraine-Krieg und anderen geopolitischen Spannungen sowie zunehmendem Protektionismus wird die Globalisierung in Frage gestellt. Die Zeitenwende also nicht nur in den politischen, sondern auch den außenwirtschaftlichen Beziehungen treibt Politiker und Ökonomen um. Die Frage, ob es zum ersten wirtschaftlichen Rückschritt in der Entwicklung seit Jahrzehnten kommen könnte, wurde nicht nur Anfang des Jahres beim Weltwirtschaftsforum in Davos diskutiert, sondern zählt gegenwärtig zum Themenspektrum vieler internationaler Konferenzen.

In der Tat dürfte die bis 2018 währende Phase der Hyperglobalisierung, die der Weltwirtschaft einen einzigartigen Boom und den Menschen große Wohlfahrtsgewinne bescherte – den Reichen leider viel größere als den Armen –, in der alten Form kein Comeback erleben. Denn Geopolitik und erstarkender Nationalismus haben die Phase der Schönwetterglobalisierung beendet. Globalisierungsgegner sollten freilich nicht zu früh jubeln. Die Geschichte zeigt, dass Globalisierung seit ihrem Beginn im 15. Jahrhundert immer Veränderungen unterlag, Unterbrechungen durch Pandemien und Kriege erlebte, sich aber dann in veränderter Form fortsetzte und unterm Strich zu mehr Wohlstand führte. Der ersten Phase vom 15. bis ins 18. Jahrhundert, für die die Bezeichnung Kolonialisierung die treffendere ist, folgte mit der industriellen Revolution im späten 18. Jahrhundert die zweite Phase. Sie dauerte – unterbrochen von zwei Weltkriegen – bis in die 1970er Jahre und war geprägt von internationaler Arbeitsteilung, intensivem Handel zwischen den entwickelten Ländern und dem Beginn der Migration zwischen den Kontinenten, insbesondere zwischen den Kolonien und ihren Mutterländern.  

Die anschließende, als Hyperglobalisierung bezeichnete dritte Phase war vom Gedanken des Freihandels geprägt und beruhte auf internationaler Regulierung und damit Rechtssicherheit, etabliert und überwacht von Institutionen wie WTO, OECD und G20. Klassische Export-Import-Verhältnisse wurden ersetzt durch globale Liefer- und Wertschöpfungsketten, die gegenseitige Abhängigkeit wuchs. Das hohe Tempo der Veränderungen und des damit einhergehenden Strukturwandels hat nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer hervorgebracht. Zum einen geografisch, was die Migrationsbewegung von den armen zu den reichen Ländern verstärkt hat, zum anderen gesellschaftlich, was die politischen Spannungen in vielen Ländern und das Erstarken an den politischen Rändern vorangetrieben hat.

Der Historiker Harold James hat einmal festgestellt, dass neue Globalisierungsphasen oft von Preissprüngen  und hoher Inflation eingeleitet wurden, gefolgt von stabilen internationalen Währungsverhältnissen. So im späten 19. Jahrhundert mit dem Goldstandard oder nach der großen Inflation den 1970er Jahren nach dem Opec-Ölpreisschock die auf Inflationsziele fokussierte Geldpolitik. Der mit der Hyperglobalisierung einhergehende Preisdruck an den Märkten erlaubte eine beziehungsweise verführte zu einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik, die uns nun mit dem Ende dieser Globalisierungsphase auf die Füße gefallen ist.

Die nächste, die vierte Phase der Globalisierung wird also wieder von hoher Inflation und daraus folgenden wirtschaftlichen Umbrüchen eingeleitet. Sie steht im Zeichen der Neuordnung der Außenwirtschaftsbeziehungen unter dem Stichwort „Friendshoring“. Dies muss nicht zwingend zu Wachstums- und Wohlfahrtseinbußen führen. Voraussetzung wäre freilich, dass die Regierungen dem populistischen Zeitgeist zu Protektionismus und Subventionitis widerstehen und Wettbewerb und Marktpreise als Lenkungsinstrumente stärken.