LEITARTIKEL

Die schwere Last MAN

Ein heißer Herbst steht MAN bevor. Es ist ein Tabubruch, dass der Vorstand des Lkw- und Busherstellers die Beschäftigungs- und Standortsicherung gekündigt hat. Schließlich gehört MAN via die Holding Traton zum Volkswagen-Konzern. Die Pkw-Kernmarke...

Die schwere Last MAN

Ein heißer Herbst steht MAN bevor. Es ist ein Tabubruch, dass der Vorstand des Lkw- und Busherstellers die Beschäftigungs- und Standortsicherung gekündigt hat. Schließlich gehört MAN via die Holding Traton zum Volkswagen-Konzern. Die Pkw-Kernmarke VW streicht zwar auch einen erheblichen Teil der Arbeitsplätze, bekräftigt aber trotz der Coronakrise die Beschäftigungssicherung bis 2029. Betriebsbedingte Kündigungen bleiben damit außen vor. Anders MAN: Hier sieht sich der Vorstand gezwungen, zu diesem Mittel zu greifen, um das Unternehmen wieder in die Spur zu bringen. Auch das Schließen von Standorten wird diskutiert.Das Management strebt für MAN Truck & Bus einen Abbau von bis zu 9 500 der 36 000 Stellen an, vor allem in Deutschland mit rund 25 000 Arbeitsplätzen. Das alarmiert die Spitzen der Betriebsräte. Bernd Osterloh in Wolfsburg und Saki Stimoniaris in München beklagen einen Kulturbruch. Osterloh spricht sogar von einem Angriff auf die Volkswagen-Familie. Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung müssen aus seiner Sicht gleichrangige Unternehmensziele sein.Dass das VW-Management im Fall von MAN eine für den Konzern ungewohnte Härte zeigt, verdeutlicht die kritische Lage des Münchner Unternehmens. Im vergangenen Jahr blieb die operative Umsatzrendite mit nur 3 % weit unter dem Zielwert. In den ersten sechs Monaten 2020 waren es wegen eines Betriebsverlusts von 387 Mill. Euro sogar fast minus 10 %. MAN lastet schwer auf dem Traton-Konzern und ist weit davon entfernt, in einem Branchenzyklus genug zu verdienen, um die Investitionen in alternative Antriebe, Digitalisierung und autonomes Fahren finanzieren zu können.Eine Quersubventionierung im Traton-Konzern erscheint ausgeschlossen. Für die Mitarbeiter von Scania wäre das ein Affront, denn auch das schwedische Unternehmen streicht Stellen: 5 000 der dort rund 51 000 sollen wegfallen, vor allem im Vertrieb und Service. Dabei erzielte Scania in der ersten Jahreshälfte immerhin eine Umsatzrendite von gut 4 %, blieb aber weit unter den fast 12 % im Vorjahr. Vorstandschef Henrik Henriksson erwartet, dass es lange dauert, bis die Nachfrage das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Die Nutzfahrzeugbranche ist mit ihren Investitionsgütern im Konjunkturzyklus generell früh dran. Eine abgeschwächte Nachfrage macht den Herstellern schon seit Mitte des vergangenen Jahres zu schaffen. Zunächst empfanden die Manager den Abschwung als nicht besonders tragisch, weil sie diesen in erster Linie mit einer Normalisierung eines in den drei Jahren zuvor außergewöhnlich starken Geschäfts, vor allem in Europa und Nordamerika, begründeten. Die Coronavirus-Pandemie verschärfte die Situation jedoch erheblich, auch wenn der Traton-Vorstand zuletzt erste Hoffnungsschimmer erkannte.Die schwierige Lage nutzt ein Unternehmen wie Scania gewiss auch, um sich nach guten Jahren personell wieder zu straffen. Das dürfte den geplanten Stellenabbau zu einem Teil erklären. MAN dagegen steht zwar nicht vor der ersten Restrukturierung, hat aber nach wie vor große Lücken in der Effizienz und zu viel Personal.Eins zu eins lassen sich die beiden Marken nicht vergleichen. MAN führt auch die leichte und mittlere Baureihe im Programm, die generell geringere Margen erzielen als die schweren Lkw, auf die sich Scania neben den Bussen konzentriert. Dennoch hinkt MAN weit hinterher. Scania und der Konkurrent Volvo setzen schon seit langem die Maßstäbe in der Branche – auch für den Weltmarktführer Daimler. Der interne Wettbewerb macht MAN zusätzlich Druck. Andreas Renschler, bis Juli Vorstandsvorsitzender von Traton, wollte mehr Synergien nutzen und sogar die Entwicklung von MAN und Scania zusammenlegen. Die Gefahr wäre allerdings groß gewesen, dass damit die Konturen der Marken verschwimmen. Renschler stieß auf heftigen Widerstand und scheiterte mit seinem Plan. Sein Nachfolger und Rückkehrer Matthias Gründler bleibt bei diesem Thema noch vage, spricht sowohl vom Bündeln der Kräfte als auch von einer Handlungsfreiheit der Marken. MAN und Traton brauchen rasch eine klare Linie. Dem Management der vergangenen Jahre fehlte es daran. So hart es für manche Mitarbeiter wird, der Tabubruch betriebsbedingter Kündigungen ist notwendig. Das wird aber erst der Anfang eines langen Wegs für MAN sein.——Von Joachim HerrMAN steht wieder einmal vor einer Restrukturierung. Das Unternehmen braucht eine klare Linie. Die Entscheidung über den Stellenabbau ist erst der Anfang.——