Ewiges Sorgenkind Stahl
Thyssenkrupp
Das ewige Sorgenkind
Von Annette Becker
Dass er sich bei Thyssenkrupp auf ein Himmelfahrtskommando einlässt, hat Miguel Lopez vor seinem Amtsantritt gewusst. „Überrascht hat mich nichts", fasste Lopez bei der Vorlage des Geschäftsberichts die Erkenntnisse seiner ersten sechs Monate als Thyssenkrupp-Chef zusammen. Thyssenkrupp habe eine fantastische Marke und eine begeisterungsfähige Mannschaft. Einzig die finanzielle Leistungsfähigkeit lasse zu wünschen übrig.
Doch der Weg zu der gewünschten finanziellen Leistungskraft, die es dem Traditionskonzern ermöglicht, mal wieder aus eigener Kraft in Wachstum zu investieren und sich zugleich als attraktives Investment an der Börse zu positionieren, ist weit. Unabhängig davon, dass das Ende des Geldverbrennens am Mittwoch für einen Kurssprung um in der Spitze 8% gut war, lässt sich nicht darüber hinwegsehen, dass Thyssenkrupp weiterhin Werte vernichtet. In dem im September abgelaufenen Geschäftsjahr waren es schlappe 2,8 Mrd. Euro.
Nur zwei der sieben Segmente verdienten überhaupt ihre Kapitalkosten. Daran wird auch der x-te neue Segmentzuschnitt nichts ändern. Richten soll es jetzt das Performance-Programm Apex. Nomen ist dabei Omen, denn Apex bedeutet Spitze und steht sozusagen für den Anspruch, die vielfältigen Geschäfte des Konzerns wieder an die Spitze im Wettbewerb zu hieven.
Binnen zwei Jahren soll Apex einen Beitrag zum bereinigten operativen Ergebnis von bis zu 2 Mrd. Euro leisten. Ein Großteil der Effizienzgewinne soll dabei aus zusätzlichen Umsätzen und nicht aus Kosteneinsparungen gespeist werden – unabhängig davon, dass das gesamtwirtschaftliche Umfeld "herausfordernd" bleibt. Nicht eben wenig, was sich der neue Thyssen-Chef da vornimmt.
Natürlich führt der Blick auf die Wertbeiträge der Segmente ein wenig in die Irre, fand das Gros der Wertvernichtung doch in der Stahlsparte, dem ewigen Sorgenkind, statt. Auf das dortige Anlagevermögen mussten Wertkorrekturen von gut 2 Mrd. Euro vorgenommen werden. In den Büchern steht die Sparte jetzt noch mit 3,6 Mrd. Euro. Dabei muss man sich auch vor Augen führen, dass eben nicht nur die höheren Kapitalkosten die Abschreibung auslösten, sondern auch die Ertragserwartungen in kurzer, mittlerer und langfristiger Sicht.
Das sind nicht eben Argumente, die die Attraktivität für potenzielle Partner erhöhen, zumal die Stahlsparte Pensionsverbindlichkeiten von 2,6 Mrd. Euro mitbringt. Dass aus der Gruppe der potenziellen Partner nur noch der Energiekonzern EPH des Tschechen Daniel Kretinsky verblieben ist, spricht Bände.