Im BlickfeldVermögensverwalter

Im Asset Management schlägt die Stunde der Strategen

Nur wer effizient arbeitet, Vertrieb neu denkt und gezielt zukauft, bleibt im Spiel. Der Markt der Vermögensverwalter fordert 2025 klare Entscheidungen: wachsen oder weichen.

Im Asset Management schlägt die Stunde der Strategen

Stunde der Strategen im Asset Management

Konsolidierung, Kostendruck, Kundenwandel: Wer keine klare Strategie hat, verliert den Anschluss. Wachsen oder weichen – dazwischen bleibt kein Raum.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Die Fondswelt ist auch in Europa in Bewegung geraten. Im Juli 2025 ließen gleich zwei Übernahmen aufhorchen: Die französische Großbank BNP Paribas kauft AXA Investment Managers – mit dem Ziel, ein europäisches Asset-Management-Schwergewicht mit über 1,5 Bill. Euro verwaltetem Vermögen zu werden. Fast zeitgleich übernahm ABN Amro die Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Das Ziel: ein größerer Wealth- und Asset-Management-Player im deutschen Markt.

Der Druck auf die Branche wächst – getrieben von sinkenden Margen, regulatorischen Entwicklungen und einem zunehmend digital getriebenen Wettbewerb um Vertriebskanäle. Und die Konsolidierung in Europa dürfte nach Meinung vieler Beobachter erst am Anfang stehen. Nach Einschätzung von Morgan Stanley und Oliver Wyman wird sich die Zahl der Asset- und Wealth-Manager bis 2029 um rund 20% reduzieren. Die Branche befinde sich im „Rennen um Relevanz“, heißt es in der aktuellen Branchenstudie „Thinning the Herd“. Wachstum sei seltener und kapitalintensiver geworden, die Fixkosten durch IT, Reporting und Regulierung stiegen. Viele mittlere Asset-Manager geraten laut der Analyse zunehmend in die Profitabilitätsfalle – und würden zu Übernahmekandidaten.

Mehr als eine Größenfrage

Dabei bekommt das Narrativ der Branche – Größe gleich Effizienz – bekommt zunehmend Risse. Konsolidierung darf kein Selbstzweck sein. „Größe allein bringt wenig, wenn keine neuen Fähigkeiten dazukommen“, sagte DWS-Chef Stefan Hoops der Börsen-Zeitung. Interessant werde es, wenn durch einen Zusammenschluss Zugang zu neuen Märkten, Technologien oder Vertriebskanälen entstehe, sagt der DWS-Chef.

Laut Morgan Stanley verbesserten weniger als 40% der untersuchten großen Deals im Asset Management ihre Cost-Income-Ratio binnen drei Jahren nach dem Closing; rund die Hälfte der Deals führte zu Nettoabflüssen. „Reine Kosten-Cases scheitern oft“, resümiert die Studie. Entscheidend seien vielmehr kulturelle Passung, komplementäre Fähigkeiten und ein diszipliniertes Integrationsmanagement.

„Bei Akquisitionen geht es selten um Assets, sondern um Portfolio-Management-Fähigkeiten, die wir unseren Kunden anbieten können“, sagt auch Christian Machts, Deutschlandchef von Franklin Templeton, im BVI-Podcast zur Konsolidierung im Assetmanagement. Auch der Zugang zu digitalen Plattformen oder institutioneller Vertriebskompetenz könne ein Antrieb sein. Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI, ergänzt: „Übernahmen und solche Konsolidierung hat es schon immer gegeben. Es gab vor 50 Jahren Asset Manager, die kennt kein Mensch mehr – Allfonds, Kapitalfonds, Postbank Privatinvestment, Frankeninvest – verschwunden vom Markt.“

M&A ist kein Selbstzweck

Der Zugang zu digitalen Plattformen oder die institutionelle Leistungsfähigkeit stehen bei Übernahmen demnach im Fokus. Auch Union Investment bestätigt, dass M&A kein Selbstzweck sei und dass es auch kulturell passen muss.

Dabei hat der deutsche Markt eine Besonderheit: Versicherungsnahe Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs) nehmen eine Sonderrolle ein. Ihre Asset-Management-Töchter liefern Know-how für Spezialfonds und Reportingprozesse. Doch mit steigenden Kosten und Regulierung fragen sich viele Versicherer, ob sie diese Einheiten dauerhaft selbst betreiben wollen. Carve-outs wie bei AXA oder Generali sind bislang jedoch nur Einzelfälle gewesen.

Wachstumsfeld Private Markets

Trotz Konsolidierungsdruck in der Asset-Management-Branche entstehen immer wieder neue Wachstumsmöglichkeiten – insbesondere in privaten Märkten und bei sogenannten semi-liquiden Vehikeln wie dem European Long-Term Investment Fund (ELTIF). Die 2024 reformierte ELTIF-Verordnung verspricht erstmals breiteren Zugang für Privatanleger zu alternativen Anlageklassen. Allerdings fehlen noch klare Marktstandards. Christian Machts sieht den Markt in der Frühphase: „Das Produkt startet langsam durch.“ Immerhin: Die Zuflüsse verdoppelten sich im Vergleich zum Vorjahr.

Institutionelle Anbieter wie Union oder Lupus alpha reagieren unterschiedlich. Während Union bereits einen breit gestreuten Infrastrukturfonds für Privatkunden aufgelegt hat, setzt Lupus alpha aus Effizienz- und Zielgruppenüberlegungen auf klassische OGAW- oder AIF-Strukturen. Der Aufbau von Plattformen für illiquide Assets bleibt kapitalintensiv, viele kleinere Anbieter agieren daher vorsichtig. Zudem erfordert die Platzierung bei Retail-Investoren ein neues Verständnis für Mindeststreuung, Kostenkontrolle und Liquiditätsmanagement. Wer sich hier nicht frühzeitig mit robusten Operationseinheiten, Strukturierungskompetenz und durchdachten Produkten aufstellt, riskiert Probleme – bis hin zu Vertriebsstopps und Reputationsrisiken.

Ran an die Neobroker

Der Wertschöpfungsschwerpunkt im Asset Management verlagert sich: Weg vom Produkt, hin zur Distribution. Laut Morgan Stanley gewinnt der Vertrieb gegenüber der Produktqualität zunehmend an Bedeutung. Modellportfolios, Sub-Advisory-Mandate und Direktmandate steuern heute große Teile der Kapitalflüsse. Wer privilegierten Zugang zu Vertriebskanälen hat, setzt die Preise. Die übrigen Akteure verlieren Margen.

Für Asset Manager ohne eigene Sales-Einheit ist der Druck hoch. Die Folge: Strategische Beteiligungen an Neobrokern, Partnerschaften mit Plattformanbietern oder sogar eigene B2C-Kanäle. „Wir müssen da näher ran“, sagt Machts. Und ergänzt: „Vielleicht auch über direkte Investitionen in Neobroker.“

Die Zahl der Asset Manager, mit denen einzelne Kunden zusammenarbeiten, sinkt. Gleichzeitig nimmt der Wunsch institutioneller Investoren nach Diversifikation über mehrere Asset Manager zu – allerdings bei gleichzeitig sinkender Toleranz gegenüber Nischenprodukten ohne nachvollziehbare Value Proposition.

ESG wird zum Prüfstein

Nachhaltigkeit bleibt ein drängendes Thema. Die regulatorische Lage ist komplex, die ESG-Offenlegungsvorschriften der EU gelten als unübersichtlich und in der Praxis oft wirkungslos. Die Kategorisierung in Artikel 6, 8 und 9 verfehlt nach Ansicht vieler Anbieter ihren Zweck. Union Investment fordert eine Abschaffung des Systems, der BVI plädiert für neue, klar verständliche Produktkategorien wie „Sustainable“, „Transition“ und „ESG Focus“.

Doch jenseits der Regulierung steht ESG auch strategisch auf dem Prüfstand. Laut Morgan Stanley und Oliver Wyman versuchen führende Anbieter, ESG vom Pflichtlabel zum Wertversprechen zu machen – etwa durch Investitionen in Daten oder aktive ESG-ETFs. Das Ziel: nicht nur „grüne“ Produkte zu verkaufen, sondern nachweisbare Performance zu liefern. Dieser Wandel ist teuer und datenintensiv – und trennt zunehmend die Spreu vom Weizen.

Die Branche steht vor einer Herausforderung: Sie muss Relevanz in einem konsolidierten Markt behaupten und operativ Stärke zeigen. Wachstum gibt es seltener aus eigener Kraft, sondern über Partnerschaften, Zukäufe oder neue Vertriebsmodelle. Wer sich auf die althergebrachten Produktwelten verlässt, verliert den Zugang zum Kunden.