Die zweigeteilte Flugzeugwelt
Airbus
Die zweigeteilte Flugzeugwelt
Von Stefan Kroneck
Als vor über einem halben Jahrhundert Deutsche und Franzosen mit Airbus an den Start gingen, nahmen die Amerikaner den Herausforderer nicht ernst. Boeing und McDonnell Douglas beherrschten damals den weltweiten zivilen Luftraum. McDonnell Douglas ist längst Geschichte. Boeing schluckte den Wettbewerber vor 27 Jahren. Und heute? Heute lacht niemand mehr bei Boeing über den Konkurrenten aus Europa. Der selbstverschuldete Niedergang des einstigen Weltmarktführers im Flugzeugbau stärkt automatisch die Position von Airbus im Wettstreit um die Herrschaft am Himmel, dürfte man meinen. Und in der Tat ist das multinationale Unternehmen mit Sitz in Toulouse dem Hersteller mit Sitz in Arlington und Seattle auf allen Ebenen überlegen: Die Auslieferungen und Bestelleingänge sind höher, die Bilanz ist viel stabiler, die Profitabilität deutlich besser. Airbus hat Boeing überholt. Airbus ist Branchenprimus. Die Flugzeugwelt ist zweigeteilt.
Dass dieser Vorsprung dennoch bei Airbus-CEO Guillaume Faury keine Freudentränen zur Bilanzvorlage auslöste, hat damit zu tun, dass in einem Duopol wie diesem eine Krise des einen den Stress beim anderen erhöht.
Der wirtschaftliche Absturz des US-Rivalen erhöht den Druck auf Airbus, ihren Produktionshochlauf zu beschleunigen. Airbus macht zwar auf diesem Feld Fortschritte, ist aber längst nicht dort, wo es sich Faury wünscht. Mit dem Ziel, in diesem Jahr rund 800 Passagiermaschinen auszuliefern, ist der Konzern noch weit entfernt vom Niveau vor Ausbruch des Corona-Schocks. Nun rächen sich die drastischen Sparmaßnahmen während der Seuche. Das Auftragsbuch quillt mit 8.600 Flugzeugen über. Das bedeutet, dass Airbus für die nächsten elf Jahre ausgebucht ist. Wenn eine Luftfahrtgesellschaft neu bestellt, muss sie sich hinten anstellen. Diese lange Warteschlange dürfte manche Airline wieder zu Boeing treiben. Damit könnte sich bewahrheiten, was Faurys Amtsvorgänger Tom Enders vorhersagte: Mal liegt der eine vorne, mal der andere. Insgesamt gleicht sich das aus. Die Voraussetzung dafür ist, dass Boeing ins Lot kommt.