LeitartikelSüdzucker

Diversifizierung ohne Stabilisierung

Analysten fürchten eine Gewinnerosion im Kerngeschäft von Südzucker. Grund ist der erwartete Kostenanstieg in der Produktion. Derweil hat die Diversifizierung im Konzern nicht die erwünschte Stabilisierung von Umsatz und Ergebnis gebracht.

Diversifizierung ohne Stabilisierung

Südzucker

Diversifizierung führt nur zu Teilerfolgen

Von Martin Dunzendorfer

Die Sorge vor einer Gewinnerosion bei Südzucker mag überzogen sein. Aber die Diversifizierung im Konzern hat nicht die erwünschte Stabilisierung gebracht.

Warburg Research hat am Freitag die Südzucker-Aktie von „Kaufen“ auf „Verkaufen“ heruntergestuft und das Kursziel von 17,30 auf 11,20 Euro gesenkt. Eine drastische Änderung, die Wirkung zeigte: Zeitweilig gab das im SDax enthaltene Papier 7,4% auf 13,02 Euro nach. Am Vortag hatte der Ernährungskonzern die Zahlen für das dritte Quartal (30. November) und den Ausblick veröffentlicht und diese in einer Telefonkonferenz mit Analysten erläutert. Südzucker stehe eine Gewinnerosion bevor, folgerte Oliver Schwarz von Warburg. Er verwies auf die Entwicklung bei der börsennotierten Tochter Cropenergies, die Bioethanol herstellt, sowie im Zuckersegment. Auch Alex Sloane von Barclays beunruhigte der angekündigte Anstieg der Zuckerproduktionskosten. Er sei überzeugt, dass der Höhepunkt der Profitabilität im Zuckergeschäft überschritten ist. Der Analyst rät zum „Untergewichten“ von Südzucker, hob aber das Kursziel von 12 auf 13 Euro an.

Höchstes Jahresergebnis seit 2012/13

Die negativen Reaktionen sind nur bedingt nachvollziehbar. Angesichts steigenden Kostendrucks im Zuckergeschäft und des Ergebniseinbruchs bei Cropenergies gerät allzu sehr in den Hintergrund, dass der Konzern im Geschäftsjahr 2023/24 mit mindestens 900 (i.V. 704) Mill. Euro wohl das höchste operative Ergebnis seit 2012/13 (972 Mill. Euro) verbuchen wird. Auf Basis der Prognosen wird die operative Marge bei mindestens 8,6 (7,4)% liegen – auch das wäre der höchste Wert seit elf Jahren. Vor allem aber steht die Argumentation für eine so trübe Zukunft, wie für Südzucker vorausgesagt, auf tönernen Füßen.

Wenn etwa die Kosten für die Zuckerproduktion steigen sollten – wer sagt denn, dass dann nicht auch höhere Verkaufspreise durchgesetzt werden? Der Zuckerpreis ist seit dem Vierjahreshoch im Herbst 2023 um ein Fünftel gesunken, liegt aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie während der zyklischen Tiefs der vergangenen 15 Jahre. Das ist also bisher eine Korrektur, keine Baisse. Gegen einen langfristigen Abwärtstrend spricht auch, dass das magere Angebot auf dem Zuckermarkt Preiserhöhungsspielräume eröffnet. Insofern erscheint es voreilig, für das Kerngeschäft von Südzucker eine Ergebniskrise vorauszusagen.

Erfolg hängt vom Ethanol-Preis ab

Das Geschäft von Cropenergies läuft 2023/24 schlecht, doch starke Ergebnisschwankungen sind für den Hersteller von Ethanol aus Getreide, an dem Südzucker 69,2% hält, nichts Ungewöhnliches. So brachte 2022/23 dank fester Ethanol-Preise ein operatives Ergebnis in Rekordhöhe von 251 Mill. Euro. Im laufenden Turnus ging der Preis für den Benzin-Ersatzstoff stark zurück, so dass nach mehreren Prognosekürzungen jetzt nur noch 40 bis 60 Mill. Euro erwartet werden. Weniger wurde zuletzt 2018/19 erwirtschaftet (33 Mill.). Da es gewichtige Gründe gibt, warum der Ölpreis zumindest mittelfristig steigen sollte, wäre mehr Zuversicht angebracht. Ein fester Ölpreis würde den Ethanol-Preis wohl mit nach oben ziehen.

Kursflaute zum Übernahmeangebot genutzt

Dass auch Südzucker mit einer baldigen Aufwärtsentwicklung bei Cropenergies rechnet, dürfte einer der Gründe für die angestrebte Komplettübernahme der Tochter mit anschließendem Delisting sein. Unmittelbar bevor Südzucker Mitte Dezember den Aktionären von Cropenergies 11,50 Euro in bar je Anteil in Aussicht stellte, lag der Kurs nach einjährigem Sinkflug mit knapp 7 Euro wieder auf dem Niveau vom Corona-Crash im März 2020. Für strategisch denkende Investoren war das ein Schnäppchenpreis. Nach offizieller Sprachregelung reflektiert die Transaktion freilich die zunehmende Bedeutung von Cropenergies für die Wachstumsstrategie des Konzerns.

Mit dem Delisting wird laut der Konzernmitteilung auch Potenzial für verbesserte Liquidität und eine Neubewertung der Südzucker-Aktie gesehen, von der auch Cropenergies-Aktionäre durch ein unmittelbares Investment in Südzucker profitieren könnten. Außerdem könne von geringerer Komplexität durch den Abbau rechtlicher und regulatorischer Anforderungen profitiert werden. Mit dem Delisting werde zudem eine Stärkung der Kapitalmarktpräsenz von Südzucker angestrebt; gleichzeitig bleibe Cropenergies eine eigenständige Säule der Südzucker-Gruppe.

Hauptziel stabilerer Ergebnisse verfehlt

Allerdings hat Südzucker ein strategisches Hauptziel der vergangenen 30 Jahre verfehlt: durch Diversifizierung mehr Stabilität und Prognostizierbarkeit in die Ergebnisentwicklung zu bringen. Zwar wurde durch Gründung von Divisionen für andere Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel und deren Ausbau die Abhängigkeit vom Zuckergeschäft verringert, doch wie sich gezeigt hat, ist keines der fünf Segmente vor hoher Volatilität gefeit. Im besten Fall gingen Ausschläge in einem Jahr in verschiedene Richtungen. Aber das ist ja auch schon mal was.