LeitartikelDeutsche Telekom

Drahtseilakt

Weitere Privatisierungsschritte bei der Post und Telekom sind nicht nur wegen knapper Kasse beim Bund zu erwägen. Sie bergen aber auch Risiken, vor allem bei der Telekom.

Drahtseilakt

Telekom-Privatisierung

Drahtseilakt

Von Heidi Rohde

Weitere Privatisierungsschritte bei der Post und der Telekom sind nicht nur wegen knapper Kasse beim Bund zu erwägen. Sie bergen aber auch Risiken.

Auch wenn der Haushalt steht, fehlen dem Bund Milliarden, zum Beispiel für dringend notwendige Investitionen in die Bahninfrastruktur. Diese sollten eigentlich aus dem Klimatransformationsfonds kommen, den das Bundesverfassungsgericht gekippt hat. Daher hat die Koalition nun flugs eine andere mögliche Finanzierungsquelle aufgetan: den Verkauf von Anteilen an Post und Telekom.

Die Jahresendrally am Aktienmarkt lädt dazu ein. Vor allem die Post-Aktie hat den scharfen Rücksetzer vom dritten Quartal gegenüber dem Hoch im August nahezu vollständig wettgemacht und notiert rund ein Viertel höher als zu Jahresbeginn. Der komplett von der KfW verwaltete Bundesanteil (20,5%) hat aktuell einen Marktwert von 11 Mrd. Euro. Um die geplanten 12,5 Mrd. Euro für die Bahn zu mobilisieren, soll offenbar ein größerer Teil des Postpakets abgestoßen werden, der Rest soll durch den Verkauf von T-Aktien eingetrieben werden. An der Telekom hält der Bund noch 13,8% direkt und 16,6% über die KfW.

Interessenkonflikt

Es ist nicht der erste Anlauf einer Bundesregierung, nach den Börsengängen weitere Anteile an den Nachfolgeunternehmen der ehemaligen Bundespost abzustoßen. Dabei ging es nicht nur um Geld. Der – vor allem bei der Telekom – vergleichsweise große Einfluss des Staates hat immer wieder Kritik an einem Interessenkonflikt des Großaktionärs ausgelöst, der einerseits die Belange der Allgemeinheit und dafür insbesondere einen intakten Wettbewerb im Auge behalten, andererseits aber auch Rücksicht auf das eigene Asset nehmen muss.

So wird unter anderem beklagt, dass Deutschland beim Ausbau einer digitalen Gigabit-Infrastruktur im Rückstand ist, weil der Bund Finanzierungsengpässen der Telekom in besonderer Weise Rechnung tragen muss.

Unabhängig davon, ob die staatliche „Schutzmacht“ den Investitionsdruck auf die Telekom in Deutschland tatsächlich gemindert hat oder nicht, ist die schwergewichtige Interessenvertretung des Bundes ein Hemmschuh für die Kursentwicklung der T-Aktie. Denn die Durchgriffsmöglichkeiten eines mächtigen Großaktionärs sind dem breiten Publikum grundsätzlich nicht lieb, ein – nicht zu überwindender – staatlicher Einfluss umso weniger. In den vergangenen fünf Jahren hat der Dax die Telekom geschlagen, phasenweise erheblich, und auch im Verlauf von 2023, obwohl die Kurs-Gewinn-Verhältnisse vieler Indexwerte historisch niedrig sind.

"Schutzmacht" gewünscht

Insofern spricht mehr als ein Argument für einen weiteren Rückzug des Staates. Dass die Schwelle einer Sperrminorität dabei nicht unterschritten wird, ist mittlerweile breiter Konsens unter allen Stakeholdern. Verfechter einer „Schutzmacht“ verweisen dabei nicht nur auf die gestiegenen geopolitischen Risiken, die eine staatliche Kontrolle der kritischen Infrastruktur mehr denn je geboten erscheinen lässt. Sie sehen darüber hinaus auch Gefahren in Gestalt nicht zwingend willkommener Großaktionäre aus dem Nahen Osten oder selbst westlichen Regionen. Sollte es einem US-Riesen einfallen, die Telekom schlucken zu wollen, wäre dies wohl ebenfalls ein „Abwehrfall“. Einen solchen sieht auch der spanische Staat, der nach dem Einstieg der Saudi Telecom bei Telefónica nun ebenfalls 10% der Anteile erwerben will.

Beweglichkeit eingeschränkt

Der Bund beginnt mit einem Rückzug auf eine 25-Prozent-Beteiligung dennoch einen Drahtseilakt. Denn damit wäre die Beweglichkeit der Telekom klar eingeschränkt. Sollte etwa die US-Tochter, nach Marktkapitalisierung eines des größten Telekomunternehmen der Welt, für eine eigene strategische Transaktion eine Kapitalerhöhung benötigen, könnte der Bonner Konzern in Nöte geraten. Denn angesichts einer hohen Verschuldung könnte die Telekom schwerlich Fremdmittel aufnehmen, um ihre Mehrheit an T-Mobile US zu verteidigen. Bei einer eigenen Kapitalerhöhung müsste der Bund mitziehen, wenn die Beteiligung nicht verwässert werden soll. Das erscheint indes kaum denkbar.

Ein solches Szenario ist weniger weit weg, als es derzeit den Anschein hat. Zwar hat T-Mobile US über Jahre erfolgreich eine organische Wachstumsstrategie verfolgt, doch Inflation und Konjunkturschwäche in den USA verschärfen den Wettbewerb um die Kunden erheblich. Darüber hinaus zieht der lukrative US-Telekommarkt neue Akteure und Geschäftsmodelle an. Das Ende der Gemütlichkeit droht bald.

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