KommentarDie Nachwehen des Credit-Suisse-Urteils

Ein Desaster für die Finma

Noch nie hat ein Bankenaufseher so eine Watschn kassiert wie die Schweizer Finma für ihr Vorgehen bei der Credit Suisse. Es wäre ja auch fatal, wenn nach Gutdünken die Bondgläubiger bei Schieflagen zuerst in den Senkel gestellt würden.

Ein Desaster für die Finma

Credit-Suisse-Urteil

Desaster für
die Bankenaufsicht

Von Björn Godenrath

Der Eingriff in die Rechte der Bondgläubiger von Credit Suisse war ein Fehler. Dafür steht die Finma zurecht am Pranger.

Die Notrettung der Credit Suisse im März 2023 war ein Lackmustest für das Too-Big-To-Fail-Abwicklungsregime, den die Schweizer Behörden nicht bestanden haben. Schon damals wurde verwundert registriert, dass die Eigenkapitalgeber geschont, aber die AT1-Bondgläubiger mit 16,5 Mrd. Dollar zur Kasse gebeten wurden. Ursache für den Schlamassel: Die Regierung wollte eine Verstaatlichung verhindern und die UBS als möglicher neuer Eigentümer das regulatorische Eigenkapital gewahrt wissen.

Verfassungswidrig von vorne bis hinten

Und so wurde damals ein Eingriff in die Rechte der Anleihegläubiger vorgenommen, der vom Schweizer Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen erstinstanzlich komplett einkassiert wurde. Das Vorgehen befinde sich weder mit den (vertraglichen) Anleihebedingungen noch mit dem Banken- und Finanzmarktaufsichtsgesetz im Einklang, heißt es - und die Notverordnung des Bundesrats wurde vom Gericht für verfassungswidrig erklärt.

Die Haftungskaskade muss bewahrt bleiben

Es ist ein Desaster insbesondere für die Finma als Bankenaufsicht, die grünes Licht gab für die Heranziehung der Bondgläubiger, obwohl das Abwicklungsregime in der Haftungskaskade eindeutig zunächst die Eigenkapitalgeber bluten lässt, bevor die Bail-in-fähigen Anleihen zur Deckung von Verlusten beansprucht werden. Damit hatte man dem Markt für Bankanleihen geschadet und das Vertrauen in den Finanzplatz Schweiz untergraben. Entsprechend mehr Risikoprämie mussten die Banken in der Folge für ihre Anleihen berappen.

Hat sich der Rechtsbruch gelohnt?

War es das wert? Immerhin blieb der Schweiz mit dieser Beugung von Recht die Abwicklung einer Großbank erspart - dafür hat man nun eine um die Credit Suisse bereicherte UBS, die ultra-systemrelevant ist und von der die Politik nun einen großen Brocken zusätzliches Eigenkapital verlangt. Und wenn man sich vor Augen führt, dass die Sicherungskonzepte für systemrelevante Großbanken schon bei der Credit Suisse einen Bank-Run nicht verhindern konnten, wird sichtbar, wie wenig diese wert sind - und deren Glaubwürdigkeit von Regierung, Notenbank und Finanzaufsicht weiter untergraben wurde.

Kredit ohne Sicherheiten geht nicht

Ja, auch die Schweizerische Nationalbank gehört zu den Sündern, hatte sie doch Liquidität ohne Sicherheiten gewährt, was gesetzlich verboten ist. Nun mag die Finma wohl das Urteil vor der nächsten Instanz des Bundesgerichts anfechten, es droht dort aber die nächste Niederlage, ist die Urteilsbegründung der Vorinstanz doch glasklar.

Reformen seit 2008 nicht beschädigen

Und abgesehen vom Einzelfall Credit Suisse, der Signalwirkung hat: Der Schutz der Bondgläubiger darf nicht weiter in Zweifel gezogen werden, gefährdet das doch eine Grundfeste des Bankensystems. Dieses hat sich seit dem Wendepunkt 2008 dem verstärkten Schutz von Steuerzahlern und Retail-Einlagen verschrieben, wofür umfangreiche Haftungstöpfe mit damit verbundenen Haftungskaskaden geschaffen wurden. Und diese Ordnung muss von Gerichten beschützt werden. Denn wer will noch Bankenanleihen zeichnen, wenn er befürchten muss, willkürlich zur Deckung von Verlusten herangezogen zu werden?