KommentarNew York Times

Ein mutiger Schritt

Die New York Times hat den ChatGPT-Entwickler OpenAI und seinen Großinvestor Microsoft wegen des Vorwurfs der Urheberrechtsverletzung verklagt. Die Eskalation ist zwar verständlich. Eine außergerichtliche Einigung, die beide Parteien langfristig von den Vorteilen der generativen KI profitieren lässt, wäre aber womöglich die bessere Option.

Ein mutiger Schritt

New York Times

Ein mutiger
Schritt

Von Karolin Rothbart

Die renommierte New York Times geht aufs Ganze und leitet nach gescheiterten Gesprächen mit dem ChatGPT-Entwickler OpenAI und seinem Großinvestor Microsoft über die Nutzung von Inhalten rechtliche Schritte ein. Damit wählt sie einen anderen Weg als Axel Springer und die Nachrichtenagentur Associated Press, die ihrerseits in diesem Jahr Lizenzvereinbarungen mit dem Vorreiter in der generativen künstlichen Intelligenz getroffen haben. Gegen Zahlung eines gewissen Betrags gewähren die beiden Unternehmen OpenAI Zugang zu bestimmten Publikationen beziehungsweise zu Teilen des Archivs. Damit kann der Chatbot-Macher seine Algorithmen trainieren und die Medienunternehmen haben sich eine neue Erlösquelle erschlossen, die ihnen zudem mehr Reichweite verschafft.

Das klingt zunächst nach einer Win-win-Situation. Doch ob die jeweiligen Parteien bei den vereinbarten Konditionen langfristig im gleichen Maße profitieren, ist fraglich. Bei Springer machen die kolportierten Lizenzeinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe zumindest einen vernachlässigbaren Anteil am Gesamtumsatz aus. Dafür besteht nun die Gefahr, dass ChatGPT die Leser über die Zeit immer häufiger zu sich lotst und der Traffic auf den Webseiten von Springer beständig abnimmt.

Ausgang unklar

Die Times hatte offenbar keine Lust, die Arbeit ihrer Journalisten potenziell unter Wert zu verkaufen und zugleich sinkende Nutzerzahlen in Kauf zu nehmen. Sie hat OpenAI und Microsoft als erstes großes US-Medium verklagt, um die Firmen für die Schäden, die nach Schätzung des Verlags in Milliardenhöhe liegen, "zur Verantwortung zu ziehen". Die Eskalation ist einerseits verständlich, ist doch die Beschaffung von Informationen je nach Medium mit teils sehr hohem Aufwand verbunden – und in manchen Fällen sogar lebensgefährlich. Um auch weiterhin Journalismus in gleichbleibender Qualität bieten zu können, sind solche Medien daher auf jeden einzelnen Klick angewiesen.

Andererseits ist es aber auch ein mutiger Schritt. Denn ob die Times mit der Klage vor Gericht Erfolg haben wird, ist nach ersten Einschätzungen von Rechtsexperten unklar. In der Vergangenheit ist durchaus schon zugunsten beklagter Tech-Konzerne entschieden worden, die mit ihrer Software nach Ansicht der Kläger Urheberrechte verletzt, nach Ansicht der Richter aber im Sinne des "Fair Use"-Prinzips gehandelt haben. Für den Journalismus wäre ein solches Urteil bitter – und eine vorherige Einigung, die beide Seiten tatsächlich im gleichen Maße von den Vorteilen der Technologie profitieren lässt, womöglich die bessere Option.


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