Im BlickfeldLieferkettengesetz

Eine Behörde im Einsatz für Menschenrechte

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kontrolliert seit Jahresanfang die Einhaltung des Lieferkettengesetzes. Zahlreiche Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen liegen dort bereits auf dem Tisch.

Eine Behörde im Einsatz für Menschenrechte

Im Blickfeld

Eine Behörde im Einsatz
für Menschenrechte

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kontrolliert seit Jahresanfang die Einhaltung des Lieferkettengesetzes. Zahlreiche Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen und Sicherheitsmängel in Unternehmen liegen dort bereits auf dem Tisch.

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) steht bislang kaum im Blickfeld der breiten Öffentlichkeit. Ins Scheinwerferlicht trat die Behörde jüngst mit der rigorosen Sanktionierung des ehemaligen Wirecard-Abschlussprüfers EY durch die unter ihrem Dach beheimatete öffentliche Prüferaufsicht Apas. Dauerhafte Aufmerksamkeit dürfte das BAFA künftig in der Unternehmenswelt in seiner Funktion als Gralshüter der Menschenrechte im Zuge der Umsetzung des  Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bekommen.

Das BAFA kontrolliert seit Jahresanfang in einer eigens eingerichteten Außenstelle im sächsischen Borna, ob die unter das Lieferkettengesetz fallenden Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten angemessen erfüllen. Dabei gibt es verschiedene Anknüpfungspunkte. Die zuständigen Mitarbeiter gehen Beschwerden über Pflichtverstöße nach. Zudem führt die Behörde sogenannte risikobasierte Kontrollen in Unternehmen durch, um festzustellen, wie gut das Risikomanagement ist und inwieweit das Gesetz umgesetzt wird. Darüber hinaus prüft das BAFA künftig die jährlich zu erstellenden Berichte, in denen Firmen auf ihrer Webseite darstellen, inwieweit sie die Anforderungen erfüllen.

Viele Unternehmen haben in den vergangenen Wochen Post von der BAFA bekommen. Sie sollten sich dazu äußern, wer für das Risikomanagement verantwortlich ist und ob sie ein funktionierendes Beschwerdeverfahren eingerichtet haben. „Unsere Bilanz fällt weitestgehend positiv aus“, resümierte BAFA-Präsident Torsten Safarik in einer Veranstaltung des Deutschen Aktieninstituts. Reaktionsgeschwindigkeit und Rückfragen zeigten, dass sich der überwiegende Teil der Firmen intensiv mit dem Gesetz auseinandergesetzt habe.

Verbesserungspotenzial

Verbesserungspotenzial sieht das BAFA in der Etablierung eines Beschwerdemechanismus bzw. der Einbeziehung der Nutzer in diesen Prozess. Wichtigste Gütekriterien für das Funktionieren seien Zugänglichkeit, Verständlichkeit und einfache Handhabung. Wenn man den Beschwerdemechanismus auf der Homepage nicht finde, könnten auch keine Beschwerden eingehen, warnt Safarik.

Die Behörde hat wirksame Eingriffsmöglichkeiten: „Wir können Personen vorladen, wir können Geschäftsräume betreten, wir können Vorgaben machen, was umzustellen ist“, erklärt Safarik. Kommen Unternehmen ihren Pflichten nicht nach, drohen Bußgelder von bis zu 8 Mill. Euro oder bis zu 2% des Jahresumsatzes. Der umsatzbezogene Bußgeldrahmen gilt nur für Firmen mit mehr als 400 Mill. Euro Umsatz. Bei Verstößen können Unternehmen ab einer bestimmten Bußgeldhöhe zusätzlich für bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

Bislang sei noch keine Sanktion verhängt worden. Nach Abschluss ihrer Prüfung gibt das BAFA den Antragstellern eine Rückmeldung, die Öffentlichkeit wird aber nicht informiert – ein „Name and Shame“ ist nicht vorgesehen.

Die Behörde verfolgt einen kooperativen Ansatz. „Wir wollen Unternehmen fordern, aber nicht überfordern“, sagt Safarik. Es sei nicht das Ziel, dass sich erfolgreiche deutsche Unternehmen, die sich seit vielen Jahren für Menschenrechte einsetzten, von den Weltmärkten zurückzögen. In die Lücken würden sonst Unternehmen vordringen, in denen die Menschenrechte missachtet werden, befürchtet er. Das BAFA versteht sich als Ansprechpartner für alle Stakeholdergruppen und will sich keiner Seite zuordnen lassen – weder den Unternehmen noch der Zivilgesellschaft. „Wir sind der Staat und neutral unterwegs“, betont Safarik.

Seit Januar sind laut BAFA 13 Beschwerden bzw. Hinweise eingegangen. Die Behörde nennt keine Namen. Schlagzeilenkräftig war im April eine Beschwerde von Textilarbeitern, vertreten durch Menschenrechtsorganisationen, wegen möglicher Sicherheitsmängel und Arbeitsrechtsverletzungen in Fabriken in Bangladesch, wo Konzerne wie Amazon, Ikea oder Tom Tailor Kleidung produzieren. Im Juni gab die Menschenrechtsorganisation ECCHR bekannt, selbst beim BAFA Beschwerde gegen die Automobilkonzerne VW, BMW und Mercedes-Benz eingereicht zu haben mit dem Hinweis auf Zwangsarbeit in den Zulieferbetrieben in der Uiguren-Region Xinjiang.

Rechtliche Unterschiede

Christoph Seibt, Partner der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer und Honorarprofessor an der Bucerius Law School, weist auf Unterschiede in den beiden bekannt gewordenen Aktionen hin. So sei die Beschwerde gegen Tom Tailor, Ikea und Amazon im Namen von potenziell geschädigten Arbeitern eingereicht worden, also entsprechend der Regelung im Lieferkettengesetz (§ 14 Abs. 1 Nr. 2). „Sollte es sich bei den Beschwerden um einen substantiierten Antrag auf Ermittlungen handeln, so muss das BAFA tätig werden und den Sachverhalt mit Hilfe der ihm nach dem Gesetz zur Verfügung stehenden Mittel untersuchen“, sagt Seibt. Die Beschwerden der ECCHR gegen die Automobilhersteller seien offenbar von rechtlich anderer Qualität, denn diese seien nicht im Namen von potenziell verletzten Personen eingereicht worden. Sie sind nach Einschätzung des Freshfields-Partners eher als „medienwirksame Hinweisschreiben“ auf eine Situation und als Anregung auf Handeln der BAFA „von Amts wegen“ zu qualifizieren. Nach Kenntnis von Seibt laufen parallel erste Untersuchungen auf eigene Initiative des BAFA bei bestimmten Unternehmen, bislang mit dem Schwerpunkt der Arbeitsbedingungen und Diskriminierungsfreiheit.

Das neue Lieferkettengesetz bietet nicht den einzigen Rahmen, um gegen Zwangsarbeit und Ausbeutung vorzugehen. Neben den BAFA-Beschwerden nutzten NGOs auch die nichtgerichtlichen Beschwerdeverfahren nach den „OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen“, erklärt Seibt. Als Beispiel verweist der Anwalt auf den aktuellen Abschlussbericht zur Beschwerde gegen Siemens im Zusammenhang mit dem Electrogas Malta Consortium. NGOs werden das OECD-Beschwerdeverfahren nach Einschätzung von Seibt weiterhin gegen deutsche Firmen einsetzen, weil es auch für zurückliegende Sachverhalte angewendet werden könne und es hier generell keine Verjährungsregelungen gebe.

BAFA-Präsident Safarik empfiehlt allen Unternehmen, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen – auch wenn sie noch nicht unter das Gesetz fallen. Die Europäische Lieferkettenrichtlinie dürfte schärfer ausfallen als die deutsche Regulierung, warnt er. Die Trilogverhandlungen auf EU-Ebene dazu laufen, die Richtlinie soll möglichst im Herbst dieses Jahres verabschiedet werden.

Es zeichnet sich nach Einschätzung von Safarik ohnehin in der Öffentlichkeit eine ähnliche Entwicklung ab wie in der Nachhaltigkeitsdebatte, die von Jahr zu Jahr an Vehemenz zugenommen habe.

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