LeitartikelImmobilienprognosen

Einfach mal die Klappe halten

Die Lage am Immobilienmarkt ist schlecht. Wir werden mit Prognosen überflutet, wann es am Markt wieder aufwärts geht. Weniger plakative Aussagen, mehr Analyse wären ein guter Weg, diese Flut einzudämmen.

Einfach mal die Klappe halten

Immobilien

Einfach mal die Klappe halten

Von Thomas List
Von Thomas List

Mehr analysieren, weniger plakatieren wäre in guter Weg, die Prognosen zur Zukunft des Immobilienmarktes einzudämmen.

Prognosen sind was Schönes. Zum Wetter, zu den Aktienkursen, zum Immobilienmarkt. Um den soll es hier gehen. Dessen Lage ist schlecht. Es gibt nur noch wenige Transaktionen, die Preise sinken, das Kreditgeschäft liegt darnieder, Abschreibungen drohen oder wurden schon durchgeführt, Pleiten vor allem bei Projektentwicklern häufen sich.

Da würde man doch gerne wissen: Wie gehts weiter? Wann kommt der Aufschwung am Immobilienmarkt? In den vergangenen Wochen und Monaten wurden wir schon mit vielen Prognosen beschenkt. Da wurde zumindest eine Bodenbildung angekündigt, sprich ein Ende des (Preis-) Abschwungs, auf den dann der Aufschwung folgen würde. Und wann ist es so weit? Zuerst hieß es im zweiten Halbjahr 2024, jetzt ist eher von 2025 die Rede.

Dabei kommt es stark auf die Nutzungsarten an. Bei Büroimmobilien sind die Einflussfaktoren bekannt – New Work mit Homeoffice und Corporate Office, Personalabbau durch Kostendruck und Demografie. Aber was sie nun genau bedeuten für die Zukunft der bestehenden und zukünftigen Büroimmobilien ist offen – zumindest, wenn es um konkreten Flächenbedarf, -ausgestaltungen und Preise geht. Wann werden wir klarer sehen? Das ist offen – oder deutlicher: Ich weiß es nicht – und auch von den Experten ist wenig Konkretes zu hören. Das sollten wir uns auch eingestehen.

Aber immerhin klarer ist – auf Grundlage der Transaktionszahlen –, dass der Trend im gewerblichen Bereich zu früheren Nischen wie Logistik, Gesundheitsimmobilien und Studentenwohnheimen geht. Allerdings können sie schon vom Volumen her Büros nicht ersetzen. Bleibt das (gewerbliche) Wohnen, das zwar die Boomzeit hinter sich gelassen hat, aber wiederkommen soll – gewohnt wird immer, aber in Ballungsräumen und Boomregionen wird viel zu wenig gebaut.

Die bekannten Begründungen halt, die für Investitionen in Wohnimmobilien sprechen, wenn da nicht die Klimakrise und die daraus folgende energetische Ertüchtigung der Wohnhäuser wäre – deren vorgeschriebener Zeitpunkt und Umfang aber noch unklar sind. Es wird also wieder nichts mit der einen klaren Prognose zu Transaktionsumfang und Wertentwicklung.

Erfreulich taten sich vor einigen Tagen im Wust der Prognosen PwC und das Urban Land Institute (ULI) hervor. Zuerst war beim Teaser mit „Wendepunkt“ und „bessere Aussichten“ zwar zu befürchten, dass wieder „more of the same“ kommt.

Doch dann zeigt sich im Text, der auf Befragungen von Immobilienunternehmen in Europa, den USA und dem asiatisch-pazifischen Raum beruht, dass sich am „Wendepunkt" nur die Aussichten auf mehr Investitionen verbessern. Denn jetzt geht die Inflation zurück und auch die Zinsen dürften bald wieder sinken.

Als mögliche Störfaktoren werden die Kriege in der Ukraine und in Israel/Gaza ebenso genannt wie die anstehenden Wahlen in mehr als 60 Ländern. Dazu kämen immense Schulden, die zur Refinanzierung anständen. Bewertungen von Immobilien müssten und werden sinken, so PwC und ULI. Um wie viel, bleibt offen („Mittelweg“).

Abschließend wird für die Branche ein „großer Reset“ konstatiert – eine zumindest für deutsche Ohren unglückliche Formulierung angesichts der Bedeutung, die rechte Kreise diesem Begriff zuordnen. Gemeint ist bei PwC/ULI wohl eine tiefgehende Neuorientierung der Immobilienbranche. Die Preise würden sinken und Wohnen, Logistik sowie alternative Sektoren mehr Investoren anziehen.

Die Analyse ist länger, tiefgehender und differenzierender als vieles, was sonst zu lesen ist. „Einfach mal die Klappe halten" ist sicherlich für viele, nicht zuletzt Journalisten, schwer zu befolgen. Wir leben schließlich vom Kommunizieren. Aber ein „Weniger ist mehr“ und „Mehr analysieren, weniger plakatieren“ ist sicherlich etwas, was sich beherzigen lässt – auch in der Immobilienwirtschaft.

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