LeitartikelAutoabsatz

Elektromobilität auf der Kriechspur

Der Weg in eine Batteriezukunft ist weit und holprig. Es fehlt an erschwinglichen E-Autos und einer klaren Politik.

Elektromobilität auf der Kriechspur

Elektromobilität

Auf der Kriechspur

Von Joachim Herr

Der Weg in eine Batterie­zukunft ist weit und holprig. Es fehlt an erschwinglichen E-Autos und einer klaren Politik.

Die Elektromobilität kommt in Europa nur im Schneckentempo voran – gemessen an den hohen Zielen der Politik und vor allem in Deutschland. Hierzulande stieg der Absatz von E-Autos im vergangenen Jahr um 11% auf gut eine halbe Million. Im Jahr zuvor war die Geschwindigkeit mit plus 30% wesentlich höher gewesen. In der gesamten EU, Großbritannien und der Efta wurden immerhin 28% mehr reine batterieelektrische Pkw (BEVs) neu zugelassen als 2022: Rund 2 Millionen waren es. Der Anteil von 15,7% an allen neuen Autos ist jedoch ziemlich mickrig, vor allem in Osteuropa – erst recht verglichen mit China. Dort macht diese Antriebsart inzwischen fast 24% der Neuwagen aus.

Um in Europa auf dem Weg zu den Klimazielen schneller größere Fortschritte in der Elektromobilität zu erreichen, kommt es vor allem auf drei Gruppen an: die Autohersteller, die Käufer und die Politik. Nur langsam wächst das Angebot von E-Pkw, die für einen großen Teil der Käufer erschwinglich sind. Bisher gibt es auf dem deutschen Markt nicht einmal eine Handvoll von Modellen mit einem Basispreis unter 30.000 Euro. Die Bedeutung dieses Schwellenwerts zeigt eine aktuelle Umfrage von Deloitte in Deutschland: 55% wollen nicht mehr für ein neues Auto ausgeben.

Ein verheerendes Signal

Der Kaufanreiz des Staates in Form des Umweltbonus kam deshalb in erster Linie denen zugute, die sich teurere Autos leisten können. Mittlerweile wurde die Förderung eingestellt – zunächst für gewerbliche Käufer und wegen des Desasters im Bundeshaushalt urplötzlich im Dezember für private. Ordnungspolitisch gesehen ist das Streichen der Prämie richtig. Mitnahmeeffekte gibt es jetzt nicht mehr. Allerdings sendet das jähe Ende ein verheerendes Signal für Planbarkeit und Verlässlichkeit der Politik.

Der Zuschuss der Steuerzahler wäre offenbar nicht einmal nötig gewesen: Zahlreiche Autohersteller zahlen zumindest für eine Übergangszeit nicht nur die Herstellerprämie weiter, sondern auch den bisherigen Anteil des Staates. Die Politik könnte sich nun auf die Rahmenbedingungen konzentrieren. Dazu gehört außer einer dichten Lade­infrastruktur die Versorgung mit genügend Strom aus erneuerbaren Energien, aber auch mit Rohstoffen für die Produktion der Batterien.

Jetzt ein Käufermarkt

Auf der Preisseite des Pkw-Markts ist einiges in Bewegung gekommen. Die Gründe: Zum einen nahm das Angebot zu, da die Lieferketten für Bauteile wieder ziemlich stabil sind. Zum anderen drücken Inflation und Zinsen auf die Konsumlaune. Aus dem vom Angebotsmangel geprägten Verkäufermarkt, der den Herstellern hohe Gewinnspannen brachte, ist ein Käufermarkt geworden.

Zum Beispiel bietet Volkswagen für den ID.4 einen Abschlag an, der die frühere Umweltprämie übertrifft. Mit einem solchen Schritt buhlt auch die Renault-Marke Dacia um Käufer für den Spring Electric, dessen Preis sich somit fast halbiert hat. Marktführer Tesla brachte die Welle ins Rollen. Eine bessere Ausstattung der Fahrzeuge oder günstigere Leasing-Raten sind andere Mittel der Autokonzerne, um die abgeflaute Nachfrage zu beleben und so eine passable Auslastung ihrer Werke zu sichern. Dafür nimmt manches Unternehmen hin, dass der Ergebnisbeitrag einzelner Modelle nicht genügt, um die Fixkosten zu decken.

Die Zweifel wachsen

Zudem sitzt den Herstellern die EU mit Abgasvorschriften und drohenden Strafen im Nacken: 2025 wird der Kohlendioxid-Grenzwert für den Flottenverbrauch leicht von 95 auf 93,6 Gramm je Kilometer gesenkt, ehe 2030 ein Sprung auf 49,5 Gramm folgen soll. Die Konzentration auf diese Zahl birgt allerdings Fehlanreize: Die Hersteller bringen bisher vor allem größere E-Modelle auf den Markt, um die Vorgaben für die Flotte zu erfüllen. Den höheren Stromverbrauch dieser Autos, vor allem von SUVs, berücksichtigt die EU nicht.

Druck, die Modellpalette nach unten zu erweitern, erzeugt das für 2035 beschlossene Verbot von Neuwagen mit Diesel- oder Benzinmotor in der EU. Allerdings wachsen in Politik und Wirtschaft angesichts der Lücken im Ladesäulennetz die Zweifel, dass es in elf Jahren tatsächlich so kommt.

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