Aktienmarkt

Ende der Pandemie eingepreist

Es ist absehbar, dass der Dax seinen Höhenflug fortsetzen wird. Die weniger schöne Nachricht: Der größte Teil der Hausse ist gelaufen.

Ende der Pandemie eingepreist

Die Rally an den Aktienmärkten scheint kein Halten zu kennen. Mit Wucht setzen sie ihren nach dem Corona-Crash begonnenen Aufschwung fort. Die jüngsten Inflations- und Zinssorgen konnten sie nur kurz aufhalten, ehe sie ihre Rekordjagd fortsetzten. Den Dax hat die Bewegung bis auf einen Höchststand von etwas mehr als 14600 getrieben und es wird voraussichtlich nicht lange dauern, bis er über die Marke von 15000 Zählern steigen wird. Es sind sehr mächtige Kräfte, die die Hausse antreiben. Dazu zählen insbesondere die in ihrem Ausmaß historisch einmaligen geld- und fiskalpolitischen Impulse, mit denen die Folgen der Pandemie bekämpft werden. Nicht von ungefähr stieg der Dax am zurückliegenden Donnerstag auf ein – gestern übertroffenes – Rekordhoch von knapp 14600 Punkten, nachdem der neue US-Präsident Joe Biden sein 1,9 Bill. Dollar schweres Hilfspaket durchgesetzt und anschließend die EZB mitgeteilt hatte, dass sie das Tempo ihrer Anleihekäufe erhöht.

Die Weltwirtschaft steht vor einem enorm starken Aufschwung. Das schafft gerade für den stark zyklisch geprägten und exportlastigen Dax gute Voraussetzungen. Nach China kriegt nun auch die größte Volkswirtschaft der Welt die Kurve. Die Kombination des Hilfspakets und des hohen Impftempos in den USA, mit dem der Weg frei wird für die Wiedereröffnung des öffentlichen Lebens, wird einen Boom auslösen, der auch auf den Rest der Welt ausstrahlen wird. Experten schätzen, dass das BIP der Vereinigten Staaten in diesem Jahr in einer Größenordnung von um die 7% wachsen wird. Entsprechend deutlich werden die Unternehmensgewinne anziehen. So erwartet Morgan Stanley, dass sich die Gewinne etwa der europäischen börsennotierten Unternehmen nach dem Einbruch um 33% im zurückliegenden Jahr 2021 um 30% erholen werden und 2022 um weitere 20% zulegen werden.

Dieser Aufschwung erfolgt in einem Umfeld, in dem immense Liquidität vorhanden ist und nach wie vor ins System gepumpt wird. Ein großer Teil fließt in die Finanzmärkte und, da angesichts extrem niedriger Zinsen kaum Anlagealternativen bestehen, in Dividendentitel. Hinzu kommt der enorme Zulauf von Privatanlegern, die seit dem zurückliegenden Jahr in immer größeren Scharen an den Aktienmarkt drängen. Vor diesem Hintergrund ist absehbar, dass der Dax seinen Höhenflug in nächster Zeit fortsetzen werden.

Die weniger schöne Nachricht: Der größte Teil der Hausse ist gelaufen. Fast auf den Tag genau vor zwölf Monaten, während des Corona-Crashs, schloss der Dax bei 8442 Zählern. Seither hat er um mehr als 6000 Punkten beziehungsweise 72,4% zugelegt. Würde er in den kommenden zwölf Monaten nochmals um mehr als 6000 Zähler beziehungsweise 72,4% steigen, läge er im März 2022 bei rund 20600 beziehungsweise 25100 Zählern. Das wird der Index definitiv nicht schaffen. Mit anderen Worten: Das Ende der Corona-Pandemie, die Wiedereröffnung des öffentlichen Lebens dank der Impfungen, die starke Erholung der Weltwirtschaft und die von den Zentralbanken signalisierte, noch lange ultralockere Geldpolitik sind zu einem erheblichen Teil bereits in den Kursen enthalten. Wie gut können das Umfeld beziehungsweise die Nachrichten noch werden?

Die aktuell erreichten, über ihren Zehnjahresdurchschnitten liegenden Bewertungshöhen mögen, wie Experten meinen, angesichts der ökonomischen Dynamik und der niedrigen Zinsen gerechtfertigt sein. Aber sie können nicht unendlich ausgedehnt werden. Der Dax weist auf Basis der Konsensgewinnschätzungen für die Jahre 2021 und 2022, die ein kräftiges Wachstum von 27,5% und 14,5% unterstellen, Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) von 15,8 und 13,8 auf. Würde auch für 2022 ein KGV von 15,8 unterstellt, ergäbe sich ein Potenzial von rund 16600 Zählern.

Damit wäre der deutsche Aktienmarkt immer noch attraktiv. Tatsache ist dennoch, dass in den nächsten zwölf Monaten kleinere Brötchen gebacken werden. Außerdem spricht einiges für einen unruhigeren, volatileren Verlauf. Auf Sicht werden die Marktteilnehmer zunehmend die nach der Überwindung der Pandemie anstehende, zumindest teilweise Reduzierung der geld- und fiskalpolitischen Unterstützung fokussieren, die die Aktienmärkte derzeit treibt. Nicht zuletzt könnten sich die Inflations- und Zinssorgen wieder als Hemmfaktor erweisen beziehungsweise für Verunsicherung sorgen, wenn in den kommenden Monaten die absehbaren extrem starken Konjunkturdaten eingehen.