LEITARTIKEL

Erst ein Etappenziel

Seine Beharrlichkeit lohnt sich für den Vorstand von AMS nun doch. Das österreichische Unternehmen überwand die größte Hürde für die Übernahme von Osram: die Mindestannahmeschwelle von 55 %. Glück und Geschick gehörten dazu - und eine Lücke im...

Erst ein Etappenziel

Seine Beharrlichkeit lohnt sich für den Vorstand von AMS nun doch. Das österreichische Unternehmen überwand die größte Hürde für die Übernahme von Osram: die Mindestannahmeschwelle von 55 %. Glück und Geschick gehörten dazu – und eine Lücke im deutschen Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, die AMS einen zweiten Anlauf innerhalb kurzer Zeit ermöglichte. Zuletzt ging es für Vorstandschef Alexander Everke darum, Hedgefonds zu überzeugen. Diese Renditejäger sollen am Ende fast die Hälfte aller Osram-Anteile gehalten haben. Zuvor hatte das Management von AMS den Vorstand des Münchner Lichttechnikkonzerns auf seine Seite gebracht. Nur mit dem Betriebsrat und der IG Metall gelang das nicht.Nicht allein wegen des Widerstands der Arbeitnehmerseite hat AMS allenfalls ein Etappenziel erreicht. Die Genehmigungen der Wettbewerbsbehörden dürften auf dem weiteren Weg eine der kleinsten Schwierigkeiten sein: Das Geschäft beider Unternehmen überschneidet sich nicht. Am anderen Ende der Skala der unerledigten Aufgaben steht das Zusammenfügen der Konzerne mit ihren Strukturen und Führungsstilen. Unterschiede hier sind generell der Knackpunkt für Übernahmen. Entscheidend ist, dass die Mitarbeiter mitziehen. Mancher von Osram mag sich gegen den neuen Mehrheitsaktionär sträuben und gehen. Unwahrscheinlich ist jedoch, dass der vom Betriebsrat und der IG Metall mobilisierte Protest eine Abwanderungswelle oder Widerstand am Arbeitsplatz auslöst. Tatsache ist allerdings, dass das Thema Übernahme seit einem Jahr Kräfte von Osram bindet – in einer Phase, in der das Geschäft schlecht läuft und schon fünf Quartale in Folge ein Konzernverlust entstanden ist. Vor etwa einem Jahr begannen die Gespräche mit Finanzinvestoren. Die Unsicherheit über die künftige Eigentümerstruktur veranlasste einige Führungskräfte, den Arbeitgeber zu wechseln.Ein erhebliches Risiko ist die Schuldenlast, die sich AMS mit dem Kauf von Osram aufbürdet. Die Übernahme wird wohl noch etwas teurer als zuletzt geplant. Hedgefonds dürften einen Teil ihrer Osram-Aktien behalten und werden mehr als die angebotenen 41 Euro je Anteil verlangen, damit AMS den angestrebten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit Osram abschließen kann. Auch wenn die Aktionäre von AMS im Januar einer Kapitalerhöhung von 1,65 Mrd. Euro zustimmen, muss sich AMS ganz schön strecken, um den Brückenkredit von mehr als 4 Mrd. Euro abzulösen und den Verschuldungsgrad, wie angestrebt, rasch zu senken.Dabei unterstellt der Vorstand, dass das Geschäft von AMS weiter brummt und sich nahezu immun gegen die Konjunkturschwäche zeigt, die Osram in der so wichtigen Autosparte hart trifft. Dass sich das Umsatzwachstum von AMS wie seit drei Jahren mit durchschnittlich 48 % fortsetzt, ist keinesfalls sicher – trotz Megatrends wie Internet der Dinge, Smart Home, autonomes Fahren und Gesundheitstechnik. Hinzu kommt das Klumpenrisiko Apple. Mit dem US-amerikanischen Konzern erzielt der Sensor- und Chiphersteller rund 45 % seines Umsatzes.Zweifellos bietet ein Zusammenschluss von Osram und AMS Chancen: das Bündeln der Optohalbleitersparte von Osram mit dem Sensorgeschäft der Österreicher. Gemeinsam sollen nach den Vorstellungen des Managements von AMS neue Produkte entwickelt werden, mit denen das Unternehmen Vorreiter und anfangs ohne Wettbewerber wäre. Das klingt gut, muss aber erst bewiesen werden.Eine der ersten Aufgaben für die Vorstände wird sein, das zum Teil zusammengekaufte Portfolio der Digitalsparte von Osram zu durchforsten. Für die verlustreichen Teile Käufer zu finden wird nicht einfach. Offen ist auch die Zukunft des Joint Venture mit Continental. Den Firmenwert des erst 2018 mit großen Hoffnungen gestarteten Projekts für Autoscheinwerfer schrieb Osram inzwischen auf null ab. Manchen Kunden, der gleichzeitig Konkurrent von Conti ist, hat Osram wegen des Gemeinschaftsunternehmens verloren, wie es in der Branche heißt.Wenn AMS die Übernahme wie geplant in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres vollzieht, könnte Osram das Konjunkturtal durchschritten haben. Für den neuen Eigentümer wäre das der richtige Zeitpunkt. Die Osram-Aktionäre, die das Angebot von AMS angenommen haben, werden davon nichts mehr haben.——Von Joachim HerrDamit aus der Übernahme von Osram eine Erfolgsgeschichte wird, muss AMS noch einen weiten Weg gehen. Jetzt ist nur ein Zwischenziel erreicht. ——