KommentarEU Chips Act

Die Tücken der Halbleiter-Subventionen

Der Weg zu Fördermitteln von 43 Mrd. Euro ist frei. Ist das nun der Startschuss für Europas Halbleiteroffensive?

Die Tücken der Halbleiter-Subventionen

Chips

Die Tücken
der Subventionen

Von Stefan Reccius

Der Chips Act hat Nebenwirkungen. Doch die EU-Kommission hatte kaum eine Wahl.

Nach den USA bekommt auch die Europäische Union ihr Halbleitergesetz. Unterhändler der EU-Gesetzgeber Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten haben sich auf Einzelheiten zum Chips Act verständigt. Damit ist der Weg frei für Fördermittel in Höhe von 43 Mrd. Euro. Ist das nun der Startschuss für Europas Halbleiteroffensive, wie sie den Gesetzesmachern in Brüssel vorschwebt?

Kommt drauf an, wen man fragt: In den Landesregierungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt ist der Jubel groß. Dort hat man nun Gewissheit, dass fest eingeplante Subventionen an die Chipkonzerne Infineon und Intel fließen können. Sie planen Werke in Dresden und Magdeburg – aber nur, wenn es dafür Steuermilliarden gibt. Das offenbart das gehörige Erpressungspotenzial der Konzerne.

Die EU hatte im Prinzip keine Wahl: Sie konnte das amerikanische Pendant Chips and Science Act über 52 Mrd. Dollar nicht unbeantwortet lassen, will sie sich von der Industrie nicht unterlassene Hilfeleistung vorwerfen lassen. Welches Unternehmen die Hilfen wirklich nötig hat, um eine Fabrik profitabel zu betreiben, ist allerdings nicht so leicht auszumachen. Mitnahmeeffekte sind wahrscheinlich.

Die Reaktionen aus der Wirtschaft fallen deutlich verhaltener aus. Der Industrieverband BDI befürchtet, dass Europa anstelle der geplanten Aufholjagd eher noch an Boden verliert. Auch andere haben Zweifel, ob die finanzielle Dimension des Chips Act ausreicht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die EU-Kommission Geld aus vorhandenen Fördertöpfen teilweise umwidmet. Man muss deshalb nicht gleich von einer Mogelpackung sprechen, aber das relativiert die Gesamtsumme von 43 Mrd. Euro.

Insgesamt lassen die Reaktionen aus der Wirtschaft den Schluss zu, dass niemand so ganz genau zu wissen scheint, was von der vermeintlichen Halbleiteroffensive zu halten ist. Die EU-Kommission hat das Ziel ausgegeben, dass 2030 jeder fünfte Mikrochip aus europäischer Produktion kommen soll. Das kann man selbstbewusst nennen oder vermessen: Schätzungen zufolge müssen die Hersteller ihre Produktionskapazitäten in der EU dafür verfünffachen.

Laut Digitalverband Bitkom kommen schon jetzt vier Fünftel aller Industrieunternehmen in der Produktion nicht mehr ohne Halbleiter aus. Allein in der Autoindustrie wird sich die Nachfrage nach Chips bis 2030 verdreifachen, rechnet der Branchenverband VDA hoch. Die Infineons, Intels und TSMCs dieser Welt haben die Geschäftschancen längst erkannt. Europas Halbleiteroffensive dürfte zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung werden – Chips Act hin oder her.

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