LeitartikelBondprimärmarkt läuft auf Hochtouren

Feuer aus allen Rohren

Am Euro-Bondprimärmarkt herrscht Hochbetrieb, denn die Unternehmen bevorraten derzeit Liquidität.

Feuer aus allen Rohren

Anleiheprimärmarkt

Feuer aus allen Rohren

Am europäischen Anleiheprimärmarkt wird derzeit aus allen Rohren gefeuert. Ob nun Staaten, SSA-Bereich (Supranationals, Sub-Sovereigns, Agencies), Financials oder Unternehmen – völlig egal – jeden Tag herrscht reger Emissionsbetrieb. Der Bondemissionsmotor läuft rund sozusagen. Und die Emittenten können sich über einen regen Investorenzuspruch freuen, und zwar querbeet über alle Segmente. Hohe Überzeichnungen der Emissionen sind an der Tagesordnung. Orderbücher von mehr als 100 Mrd. Euro sprechen eine klare Sprache. Zuletzt bei Spanien zu beobachten: Über 120 Mrd. Euro Ordervolumen für eine 13 Mrd. Euro schwere Anleihe. Platzierungsprobleme sehen anders aus.

Und mancher Beobachter wird sich beim Blick auf den Euro-Anleihemarkt vermutlich die Augen reiben und fragen: War da nicht was? Genau – da war was. Ein vom US-Präsidenten Trump vom Zaun gebrochener weltweiter Zollstreit. Und der führt seit Anfang April dazu, dass die Märkte für risikobehaftete Assets immer dann komplett geschlossen waren, wenn Trump mit neuen Drohungen oder Ankündigungen von hohen Zöllen daherkam. Raus aus Risiko-Assets und rein in die sicheren Häfen lautete dann das Motto an den Märkten. Und das bekam dann auch der europäische Anleiheprimärmarkt zu spüren, und zwar in zweierlei Hinsicht. Angesteuert wurden die sicheren Staatsanleihen in Europa, allen voran Bundesanleihen aber auch Bonds anderer Eurozonenstaaten bzw. europäischer Länder. Links liegen gelassen wurden etwa Unternehmensanleihen – eingestuft natürlich als Risikoasset. Es gab Tage, an denen der Markt emissionsseitig komplett geschlossen war und überhaupt kein neues Bondmaterial mehr kam.

Nun sieht die Situation völlig anders aus. Dass es eine hohe Nachfrage nach Staatsbonds gibt ist verständlich. Anleger schichten aus US-Assets, darunter auch US-Staatsanleihen, um. Profiteure sind europäische Staatsanleihen. Aber auch bei Unternehmenspapieren wird zugegriffen. Der Mai könnte nach Daten von Informa Global Markets (IGM) im Bereich der auf Euro lautenden Investment-Grade-Firmenanleihen sogar der stärkste Monat aller Zeiten werden. Diesen Rekord hält bislang der Mai 2020 mit 61,98 Mrd. Euro, aktuell kratzt der Markt an dieser Marke. Damals versorgten sich Firmen kräftig mit Liquidität. Es konnte ja niemand seriös abschätzen, welche Tragweite die gerade massiv um sich greifende Covid-19-Pandemie auf Wirtschaft und Gesellschaft haben würde. Seinerzeit haben Firmen kräftig Liquidität bevorratet, um auf der sicheren Seite zu sein.

Erinnerungen an noch weiter zurückliegende Krisen werden wach. Auch die Finanzmarkt- und Bankenkrise, die anschließende Rezession und dann vor allem die ab Ende 2009 einsetzende Euro-Staatsschuldenkrise führten dazu, dass Liquidität fast schon im Extremzustand auf Halde gelegt wurde. Billig war es, die Zinsen sanken Richtung Null, später sogar in den Minusbereich. Und nun ist offenkundig eine ähnliche Situation eingetreten. Donald Trumps Handelskrieg könnte Unternehmen auch weiter dazu motivieren, Cash zu horten. Auffällig ist dabei, dass die US-Unternehmen mittlerweile den Euro-Bondmarkt aufsuchen, um sich hier Liquidität zu besorgen. Denn es ist hier mittlerweile günstiger als in den USA.

Aber auch europäische Firmen kommen an den Markt. Zum einen sind es Adressen, die bei Schließung des Marktes im April ihre Auftritte verschieben mussten. Sie holen Emissionen nach. Aber auch diejenigen, die erst einen Auftritt für einen späteren Zeitpunkt geplant hatten, werden vorstellig; sie ziehen den Auftritt vor. Das erklärt das aktuell hohe Emissionsaufkommen. Und es zeigt eine gewisse Robustheit des Marktes. Denn der Zickzackkurs von Trump in Sachen Zollkrieg hat einen Gewöhnungseffekt bei Marktteilnehmern – Emittenten und Anlegern – hinterlassen.

Die Aussichten für den Euro-Bondprimärmarkt sind gut. Unternehmen werden wohl weiter Liquidität zur Seite packen wollen. An Bond-Nachschub wird es nicht mangeln. Und beim gegenwärtigen, im historischen Vergleich hohen Zinsniveau für Firmenbonds werden Anleger gern weiter zugreifen. Günstig für beide Seiten.

Am Euro-Bondprimärmarkt herrscht Hochbetrieb. Unternehmen bevorraten Liquidität. Trump lässt grüßen.

Von Kai Johannsen
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.