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Früher war mehr Lametta

Die Stimmung im deutschen Einzelhandel ist schlecht. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Rezession, Inflation, sinkende Realeinkommen und, und, und.

Früher war mehr Lametta

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Früher war mehr Lametta

Von Annette Becker

Jammern ist der Gruß der Kaufleute, hieß es schon bei den Phöniziern. Doch was sich gerade am Konsumhimmel zusammenbraut, hat es durchaus in sich. Erstmals seit zwölf Monaten ist die Konsumlaune der Verbraucher laut Konsumbarometer des Handelsverbands Deutschland im November wieder rückläufig. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Rezession, Inflation, sinkende Realeinkommen und, und, und. Der einzige Lichtblick, den der Handelsverband Deutschland (HDE) derzeit ausmacht, ist ein stabiler Arbeitsmarkt.

Das allerdings ist nicht mehr als eine Momentaufnahme. Just erst kündigte Continental den Abbau von mehreren Tausend Stellen im Automotive-Geschäft an. Andere Konzerne arbeiten an Spar- und/oder Straffungsprogrammen, im Fokus steht dabei nicht selten die Verwaltung. Kein Wunder, wenn die Sorge vor dem Arbeitsplatzverlust um sich greift, wie die ebenfalls gerade veröffentlichte Verbraucherumfrage der Auskunftei Schufa zutage förderte.

Zwar sorgen sich die Deutschen am meisten wegen steigender Energiekosten, der Inflation ganz generell und einer heraufziehenden Wirtschaftskrise. Am stärksten gestiegen ist gleichwohl die Angst vor Arbeitslosigkeit. 44% der Befragten zerbrechen sich inzwischen darüber den Kopf, im Februar waren es erst 37%. Dazu passt, dass sich Zukunftsangst vornehmlich in den mittleren Einkommensklassen breitmacht.

Kein Wunder also, wenn sich die Handelsunternehmen auf ein wenig ertragreiches Weihnachtsgeschäft einstellen. Fast ein Drittel der Händler jenseits des Lebensmittelhandels bezeichnet ihre aktuelle Geschäftslage als schlecht oder sehr schlecht. Der Blick auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft fällt düster aus. Gut die Hälfte der Befragten rechnet für die Monate November und Dezember mit niedrigeren, wenn nicht gar deutlich niedrigeren Umsätzen. Der Verband selbst kalkuliert mit einem realen Umsatzminus im Jahresendgeschäft von 5,5%.

Zwar verweist der HDE auch darauf, dass mehr als die Hälfte der befragten Konsumenten angibt, ihr Budget für Weihnachtsgeschenke stabil zu halten. Das ist jedoch alles andere als eine frohe Botschaft, insbesondere wenn man die Inflation herausrechnet. Das bestätigt auch EY, die alljährliche eine Verbraucherbefragung zum Ausgabeverhalten im Weihnachtsgeschäft durchführt. Demnach fällt das durchschnittliche Geschenkbudget in diesem Jahr auf den tiefsten Wert seit neun Jahren. Loriot, der dieser Tage seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, wusste schon 1976: Früher war mehr Lametta.

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