LeitartikelAutohersteller

Geduldsprobe für deutsche Autobauer

Die deutschen Autohersteller zeigen ein uneinheitliches Bild. Während BMW zuletzt einen soliden Ausblick abgab, mussten Mercedes-Benz und Volkswagen etwas zurückrudern. Insgesamt ist die Lage für sie bei steigendem Wettbewerbsdruck herausfordernd. Das gilt auch für 2024.

Geduldsprobe für deutsche Autobauer

Autobauer

Geduldsprobe für deutsche Hersteller

Von Stefan Kroneck

Die deutschen Autohersteller zeigen ein uneinheitliches Bild. Die Lage ist insgesamt herausfordernd. Das gilt auch für 2024.

Wenn etwas schlecht läuft, kann man geneigt sein, sich die Dinge schönzureden, um mental ins Gleichgewicht zu kommen. Von diesem in der Psychologie als kognitive Dissonanz bezeichneten Verhaltensphänomen ist die deutsche Autoindustrie weit entfernt. Mit Blick auf den bedeutendsten Wirtschaftszweig der größten EU-Volkswirtschaft ist die derzeitige Lage mancherorts angespannt. Von einer Krise auf breiter Front kann aber keine Rede sein. Vielmehr bestimmt ein nüchterner Realismus in den obersten Führungsetagen die Tagesordnung. Das trägt dazu bei, bei zunehmendem Wettbewerb die Kosten besser in den Griff zu bekommen.

Die vom Zulieferer Continental angekündigte Sparrunde in Form eines Abbaus Tausender Arbeitsplätze und die Spekulationen über Pläne bei Volkswagen in ähnlicher Dimension sind Zeichen von Einschnitten in einer Industrie, die sich mitten im Transformationsprozess zur Elektromobilität befindet. Die Aufholjagd zum Platzhirsch Tesla und den aufstrebenden chinesischen Herstellern ist für BMW, Mercedes-Benz und VW ein organisatorischer und finanzieller Kraftakt, welcher bis Mitte der kommenden Dekade weitere Milliarden verschlingen wird. Denn das Trio hat bislang nur einen Bruchteil der Strecke zurückgelegt, an dessen Ende das Aus für den Verbrennungsmotor in Europa und in China steht. 

Daher ist es für die deutschen Autobauer essenziell, genügend Cashflow zu erwirtschaften, um den Wandel der Technik aus eigener Kraft zu stemmen. Vor diesem Hintergrund ist es für die Dax-Konzerne in der herausfordernden Zeit überlebenswichtig, ihre Pkw-Auslieferungen nach dem überwundenen Corona-Schock kontinuierlich zu steigern. Denn nur bei einer relativ hohen Profitabilität und genügend Mittelzuflüssen aus dem operativen Geschäft können sie den Umbau erfolgreich meistern.

Ein entscheidender Risikofaktor dabei ist die Konjunktur. Die hohe Inflation dämpft das Wirtschaftswachstum. In Deutschland herrscht eine Rezession, die die Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern abschwächt. In China bestimmt mittlerweile im Automarkt ein Verdrängungswettbewerb das Geschehen. Die goldenen Zeiten für die deutschen Hersteller im Reich der Mitte sind längst vorüber. Tesla-Chef Elon Musk versucht, mit Dumpingpreisen anderen Anbietern den Garaus zu machen. Eine umfassendere Rabattschlacht steht bevor.

Das börsennotierte deutsche Trio zeigt währenddessen ein uneinheitliches Bild. VW und Mercedes-Benz mussten zuletzt wegen der schwachen Wirtschaft und nach wie vor bestehenden Lieferkettenproblemen bei ihren Erwartungen für 2023 etwas zurückrudern. Die Stuttgarter machten wegen fehlender Bauteile und dem Konkurrenzdruck im dritten Quartal weniger Absatz, Umsatz und Gewinn. Bei BMW läuft es deutlich besser. Die Münchner bekräftigen ihre zuvor heraufgesetzte Ergebnisprognose. Sie sind der Ansicht, dass der von Tesla initiierte Preiskrieg sie nicht besonders trifft. 

Darin könnte BMW sich aber täuschen, da selbst Käufer hochpreisiger E-Modelle auf ein ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis achten. Dafür sorgt die Dynamik im Markt, die von ständigen technischen Neuerungen geprägt ist. Daher könnten Ratensenkungen in der Kompaktklasse auf Premiummarken überschwappen. Angesichts der nach wie vor volatilen Situation ist auch im kommenden Jahr keine spürbare Markterholung zu erwarten. Die Kaufzurückhaltung von Kunden trübt die Stimmung. Zwar sind Volumenhersteller wie die Marke VW davon stärker betroffen als die Premiumhersteller BMW und Mercedes-Benz. Letztere können sich dem aber auch nicht vollständig entziehen. 2024 dürfte daher auch wie 2023 ein Jahr des Übergangs sein. Zwar steigen in Deutschland die Neuwagen-Zulassungen. Allerdings ist der Markt nach wie vor weit von den Zahlen vor Ausbruch der Pandemie entfernt. Mancher rechnet damit, dass das Niveau von 2019 erst 2026 erreicht werden könnte – vorausgesetzt, Vater Staat senkt die Kaufförderung von E-Autos mit öffentlichen Mitteln nicht noch weiter. Für die deutschen Autobauer bedeutet das, dass sie sich auf ihrem Heimatmarkt in Geduld üben müssen, bis bessere Zeiten anbrechen.

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