KommentarGeldpolitik

Gieriges Biest Inflation bleibt hungrig

Die jüngsten Inflations- und Konjunkturdaten sind Argumente dafür, dass das Zinsplateau in der Eurozone noch nicht erreicht sein sollte.

Gieriges Biest Inflation bleibt hungrig

Inflation

Gieriges Biest bleibt hungrig

Von Martin Pirkl

Es ist kein Wunder, dass die Inflation in der Eurozone kaum sinkt. Trotz kontinuierlichen Rückgangs der Teuerungsrate steigen die Lebensmittelpreise weiter deutlich. Noch bedenklicher für die Europäische Zentralbank (EZB) ist aber die Entwicklung der Kerninflation. Hier gibt es bislang überhaupt keine Fortschritte. Nicht nur jetzt im Juli, sondern auch auf lange Sicht. Während sich die Gesamtinflation seit ihrem Höhepunkt im Oktober 2022 in etwa halbiert hat, ist die Kernrate seitdem von 5,0% auf 5,5% gestiegen.

Das deutet darauf hin, dass die bisherigen neun Leitzinserhöhungen der EZB in Folge nicht genug sind, um den zugrundeliegenden Preisdruck ausreichend zu senken, damit das Teuerungsziel der Notenbank von 2% mittelfristig wieder in greifbare Nähe rückt. Auch die wirtschaftliche Entwicklung der Eurozone im zweiten Quartal gibt den Verfechtern einer lockeren Geldpolitik im EZB-Rat, den „Tauben“, keine neue Nahrung. Zwar funktioniert die geldpolitische Transmission durchaus und die höheren Zinsen kühlen die Konjunktur ab, wie zum Beispiel die Daten zur Kreditnachfrage der Unternehmen zeigen. Doch die Wirtschaft bleibt recht robust und im zweiten Quartal konnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zumindest leicht zulegen.

Vor allem die Lage auf dem Arbeitsmarkt sollten die Währungshüter genau beobachten. Deutliche Lohnerhöhungen könnten die Inflation wieder antreiben – erst recht im kommenden Jahr, wenn die Statistiker die Inflationsraten nicht mehr mit dem Preisniveau von 2022 vergleichen. Einem Jahr, in dem die Inflation unter anderem wegen der Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine durch die Decke ging.

Insbesondere Lohnerhöhungen im Servicesektor könnten für die EZB noch zum Problem werden. Gerade bei arbeitsintensiven Dienstleistungen dürften die Preise deutlich ansteigen. Bereits jetzt zieht hier die Teuerung entgegen dem Trend an. Die Dienstleistungsinflation legte im Juli 0,2 Prozentpunkte auf 5,6% zu.

Die Verfechter einer restriktiveren Geldpolitik im EZB-Rat, die „Falken“, dürften die jüngsten Inflations- und Konjunkturdaten daher in ihrer Sichtweise bestätigen, dass es im weiteren Jahresverlauf vermutlich noch eine zusätzliche Zinserhöhung benötigt, ehe der Teuerung in der Eurozone der Appetit vergeht. „Die Inflation ist ein gieriges Biest“, hatte Bundesbankpräsident Joachim Nagel bereits im Juni festgestellt. Deshalb wäre es ein Fehler, bei der Bekämpfung der Inflation zu früh nachzulassen.

Die jüngsten Inflations- und Konjunkturdaten sind Argumente dafür, dass das Zinsplateau in der Eurozone noch nicht erreicht sein sollte.

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