Glanz über Quartal hinaus
Siemens
Glanz über Quartal hinaus
Von Michael Flämig
In den Kellern des Wittelsbacherplatzes wird sich sicherlich ein goldfarbener Bilderhalter finden lassen, um dem Ergebnis des zweiten Quartals einen würdigen Rahmen zu geben. Wohin man auch im Siemens-Konzern blickt, (fast) überall sieht man Rekorde.
Vor gut zwei Dekaden wurde noch zum Champagnertrinken in die Münchner Zentrale geladen, um erstmals einen Gewinn ohne Sondereffekte von mehr als 1 Mrd. Euro im Quartal zu feiern. Heute verdient operativ mit Digital Industries eine Sparte allein mehr, es stehen 1,3 Mrd. Euro zu Buche. Noch ein Vergleich: Der frühere Konzernchef Peter Löscher musste vor knapp einer Dekade sein Amt aufgeben, weil das Ziel einer operativen Ergebnismarge von mindestens 12% unerreichbar wurde. Im zweiten Quartal meldete Siemens – in einer leicht veränderten Definition – mit 14,2% einen wesentlich höheren Wert.
Olle Kamellen, gewiss. Der Rückblick macht jedoch deutlich, wie weit der Konzern vorangekommen ist. Die Häutungen machen sich bezahlt. Der Kapitalmarkt erkennt dies endlich an. Der Aktienkurs stieg auch am Tag der Quartalspräsentation, so dass der Rekord von 157,96 Euro in Reichweite gerückt ist.
Allerdings ist es mit goldfarbenen Rahmen so eine Sache. Meist werden dort besondere Momente verewigt. Den Beobachtern stellt sich daher eine schwierige Frage: Werden sie „nur“ Zeuge einer Ausnahmesituation? Oder kann Siemens den Erfolg verstetigen?
Klar ist: Die ökonomische Lage ist aktuell einmalig. Niemals zuvor hatte Siemens eine solchen Berg von Aufträgen im kurzzyklischen Geschäft erhalten wie in den vergangenen Quartalen. Angesichts der Lieferengpässe bestellten die Kunden ungehemmt, dementsprechend wuchs das Siemens-Auftragsbuch. Seitdem der Konzern die Bauteile wieder weitgehend reibungslos erhält und die Aufträge extrem professionell umsetzt, laufen die Fabriken unter Volllast. Sie produzieren nebenbei hohe Margen, weil die kurzzyklischen Produkte sehr profitabel sind.
Doch Wachstumsraten von 21 bis 33% können nicht dauerhaft sein. Sinkende Aufträge in der Sparte Digital Industries zeigen, dass diese Sondersituation ausläuft. Doch ist das zweite Quartal kein Strohfeuer. Schließlich setzt es eine Reihe operativ hervorragender Quartale fort. Der Konzern trifft mit seinen Produkten den Nerv der Zeit. Die neue Fünfjahresplanung geht davon aus, dass das zusätzliche Wachstumspotenzial für Digital Industries, Smart Infrastructure und Mobility in den adressierbaren Märkten 175 Mrd. Euro beträgt. Mit diesem Pfund lässt sich wuchern.