Schanghai

Göttinnen für einen Tag

Die Zahlenkombination San Ba (Drei Acht) hat in China einen ganz besonderen Klang. Mit ihr wird das (wie auch in den USA) rückwärts gelesene Datum für den 8. März und damit den internationalen Frauentag markiert. Chinas Verwaltungsapparat lässt sich...

Göttinnen für einen Tag

Die Zahlenkombination San Ba (Drei Acht) hat in China einen ganz besonderen Klang. Mit ihr wird das (wie auch in den USA) rückwärts gelesene Datum für den 8. März und damit den internationalen Frauentag markiert. Chinas Verwaltungsapparat lässt sich zumindest arbeitsrechtlich nicht lumpen. Die bessere Hälfte der arbeitenden Bevölkerung darf nach der Mittagspause Feierabend machen und soll sich dann mit dem Segen der Nation nach Herzenslust vergnügen. Das heißt im Zweifelsfall im Kreis von Kolleginnen als Pulk losziehen und ein bisschen auf den Putz zu hauen. Keine schlechte Einrichtung für die heimische Konsummaschinerie, die es zielgruppengerecht versteht, die Feste zu feiern, wie sie fallen.

Ein Hauch von Weiberfastnacht weht durch die Metropolen. Das Motto lautet ungefähr „gebt Gas, habt Spaß und verwöhnt euch nach Strich und Faden“, denn ihr habt es euch verdient. In Schanghai haben Modeboutiquen, Juweliergeschäfte, Blumenläden sowie Kosmetik- und Nagelpflegesalons absolute Hochkonjunktur, Yoga- und Fitnessstudios locken mit Schnupperkursen und Sonderaktionen, Kinosäle sind überfüllt. Cafés, die noch eine Preisklasse über Starbucks liegen, verkaufen Kuchen und Törtchen wie am Fließband. Dort ist genauso wie in Hotpot-Restaurants nirgendwo ein Platz mehr zu bekommen. Wem das dann doch zu viel wird, kann sich zumindest am Smartphone austoben und auf den einschlägigen E-Commerce-Plattformen Sonderangebote und Schnäppchen, die dem Frauentag gelten, abgreifen.

*

Die fröhlichen Verwöhnrituale werden vom heutigen Staatswesen mit Wohlwollen registriert und entsprechen dem schulterklopfenden Selbstverständnis, dass man im kommunistischen China in Sachen Gleichberechtigungsfragen dank des Republikgründers Mao schon immer alles richtig gemacht hat. Dabei beruft man sich auf eine berühmte Formulierung des Großen Führers, dem zufolge die Frauen die „Hälfte des Himmels tragen“. Mao ließ seinem Bonmot mit einer Reihe von Gleichberechtigungsgesetzen immerhin auch Taten folgen, freilich nicht ganz ohne Hintergedanken. Schließlich ging es vor allem darum, weibliche Arbeitskräfte an die Werkbank und in die Kombinate zu bringen, sie vor harter körperlicher Arbeit nicht zu schonen und klaffende Personallücken bei den Streitkräften zu füllen.

Führungsarbeit blieb dabei natürlich strikt ausgenommen. Heute wie damals sind in der oberen Parteihierarchie vom Politbüro bis zu den Parteisekretären der einzelnen Provinzen Frauen totale Fehlanzeige. Auch in den Chefetagen der Staatsunternehmen muss man anders als in der Privatwirtschaft weibliche Führungskräfte mit der Lupe suchen. Wie dem auch sei, der Frauentag wird in der Amtssprache als San Ba Guoji Laodong Funu Jie bezeichnet, was in Übersetzung so viel wie Internationales Drei-Acht-Festival für arbeitende Frauen bedeutet. Wer nicht schuftet, hat sinngemäß auch nichts zu feiern.

*

Während der offizielle Sprachgebrauch neutral ist, haben chinesische Machos den Spieß umgedreht und aus Laodong Funu Jie den Chauvi-Spruch Funu Laodong Jie gemacht. Dann heißt die Chose nämlich so viel wie Frauen-Arbeitstag und wird als Aufforderung verstanden, doch bitte einmal ganz besonders gründlich die Wohnung feucht durchzuwischen und dann noch was Schönes zu Essen zu kochen. Andere sprechen neutraler einfach nur von San Ba Jie, aber auch das hat ein Geschmäckle, weil daraus die abfällige Bezeichnung Ta hen san ba, „sie ist total Drei-Acht“ entstanden ist. Damit werden „Klatschbasen“ bezeichnet, die sich den lieben langen Tag mit nichts anderem als Gossip und Gerüchten beschäftigen.

In den letzten Jahren wurde der Frauentag immer öfter dann als Nusheng Jie bezeichnet, aber damit landet man im Prinzip bei einem „Mädchentag“, was man auch als despektierlich auffassen könnte. Moderne Chinesinnen jedoch wissen sich zu helfen. Man muss nur das G weglassen und schon heißt es Nushen Jie und damit „Göttinnen-Festival“. Da hätte Mao auch schon drauf kommen können.