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Griechenland vor dem Rating-Comeback

Nach schwersten Jahren bahnt sich eine Zäsur an: Bald dürfte das einstige Krisenland das Gütesiegel "Investment Grade" zurückerhalten.

Griechenland vor dem Rating-Comeback

Griechenland vor dem Rating-Comeback

Nach schwersten Jahren bahnt sich eine Zäsur an: Bald dürfte das einstige Krisenland das Gütesiegel "Investment Grade" zurückerhalten.

Von Stefan Reccius, Brüssel

Athen im Juni 2021: Ministerpräsident Mitsotakis und EU-Kommissionschefin von der Leyen präsentieren den Wiederaufbauplan "Griechenland 2.0".

Schon der Name klingt wie eine Verheißung: "Griechenland 2.0". Eine bessere Version des einstigen Krisenlandes hat die konservative Regierung unter Kyriakos Mitsotakis mithilfe der Milliarden des EU-Wiederaufbaufonds aus der Pandemie in Aussicht gestellt. Zwei Jahre später deutet vieles darauf hin, dass der Plan aufgeht: Mitsotakis’ Regierungspartei Nea Dimokratia ist souverän wiedergewählt worden und das Land steht an den Finanzmärkten vor einem entscheidenden Schritt.

Ziel ist die Rückkehr zum Gütesiegel "Investment Grade". Bei Scope und der japanischen R&I ist es seit vorletzter Woche so weit. Dabei handelt es sich jedoch um Ratingagenturen aus der zweiten und dritten Reihe. Nun setzen die Griechen darauf, dass einer der Marktführer – S&P, Moody’s oder Fitch – es diesen gleichtut. Denn bei allen dreien, auf die es an den Finanzmärkten ankommt, steht Hellas an der Schwelle zu Investment Grade.

Eine Zäsur bahnt sich an. Seit der Finanzkrise und der darauffolgenden Euro- und Staatsschuldenkrise sind Griechenlands Staatsanleihen mit Ramsch bewertet. Mit der Rückkehr zu Investment Grade können die Griechen quasiamtlich das schwierigste Kapitel ihrer jüngeren Geschichte hinter sich lassen und "das Land wieder für institutionelle Investoren öffnen", wie BayernLB-Analyst Florian Buckenleib prophezeit.

"Wir brauchen den Stempel"

Der Schritt ist viel mehr als bloß symbolträchtig, bestätigt der wiedergewählte Premierminister Mitsotakis. Dadurch würde sich "vieles ändern", sagte er kürzlich im Bloomberg-Interview. Mitsotakis meint: zum Positiven. Denn: "Es gibt eine Menge Geld, das derzeit nicht in Griechenland investiert werden kann, einfach weil wir nicht Investment Grade sind." Laut Zentralbankchef Yannis Stournaras darf deshalb nach wie vor nur jeder zehnte Fonds in Griechenland investieren.

Dabei ist Griechenlands Comeback an den Finanzmärkten längst in vollem Gange. So sind die Risikoaufschläge (Spreads) für griechische Bonds im Vergleich zu Bundesanleihen rückläufig, obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) in Serie die Leitzinsen erhöht hat. Das Szenario galt für hochverschuldete Länder anfangs als hochproblematisch. Inzwischen sind für italienische Staatsanleihen höhere Zinsaufschläge fällig als für griechische – ein Indiz, dass Rom den Märkten mehr Sorgen bereitet als Athen. De facto handele man bereits wie ein Land mit Investment Grade, sagt denn auch Mitsotakis. "Aber wir brauchen auch den Stempel der Ratingagenturen."

Dafür umgarnt Mitsotakis die Bonitätswächter. Der Konservative kündigte an, Hilfskredite aus der Zeit der Schuldenkrise, die in den nächsten zwei Jahren fällig werden, vorzeitig zurückzuzahlen. Griechenland hatte von den Euro-Staaten und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) insgesamt mehr als 260 Mrd. Euro an Hilfen bekommen. Er beteuert, die Staatsverschuldung kontinuierlich zu verringern: Sein Mittelfristziel sind 140% der Wirtschaftsleistung, 2022 waren es 170%, in der Spitze mehr als 200%.

Reformen wirken

Für die kleinere Ratingagentur Scope ist das ein wesentlicher Anlass gewesen, Griechenland Anfang August von "BB+" auf BBB-" hochzustufen. Damit honoriert Scope nach eigener Auskunft auch, dass Reformen im Bankensektor gegriffen hätten. In erster Linie hebt Scope indes auf Dauer angelegte institutionelle Unterstützung von europäischer Seite hervor: Gemeint sind Erleichterungen der EZB im Umgang mit griechischen Staatsanleihen bei Kaufprogrammen, die inzwischen eingestellt sind, sowie Kreditsicherheiten. Und natürlich der EU-Wiederaufbaufonds.

Griechenland gehört zu den Hauptprofiteuren des rund 800 Mrd. Euro schweren Programms. Zwei Auszahlungen hat Athen erhalten, eine dritte Tranche dürfte folgen. Insgesamt stehen Griechenland bis 2026 rund 31 Mrd. Euro an Zuschüssen und Darlehen zu. Gemessen an der Wirtschaftsleistung erhält kein Land so viel Fördergeld aus Brüssel: knapp 17% der Wirtschaftsleistung von 2021.

„Griechenland 2.0“ besteht laut einer Analyse der Beratung Deloitte aus 106 Investitionsvorhaben und 68 Reformen. In einem der ersten Großprojekte ist der Stromnetzbetreiber IPTO beauftragt, die Kykladeninseln an das Stromnetz des Festlands anzuschließen. Kosten: mehr als eine halbe Milliarde Euro. Andere Schwerpunkte reichen von Energieeffizienz privater und öffentlicher Gebäude über Kultur und Tourismus, Ausbau von 5G-Mobilfunk, Breitbandinternet und Elektromobilität bis zu Tablets und Laptops für Schüler und Studenten.

„Griechenland hat seit der letzten Krise einen weiten Weg zurückgelegt“, frohlockte EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Paolo Gentiloni im Juni 2021. Da hatte die EU-Kommission gerade den griechischen Wiederaufbauplan genehmigt. Internen Schätzungen zufolge werde er Griechenlands Wirtschaftsleistung bis 2026 um 2,1 bis 3,3 Prozentpunkte treiben und circa 60.000 Jobs schaffen. „Mausert sich das einstige Sorgenkind der Eurozone nun zum Musterschüler?“, fragt BayernLB-Analyst Buckenleib.

Gute Noten aus Brüssel

Von der EU-Kommission gibt es jedenfalls gute Noten. "Griechenland bleibt trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds einer der Spitzenreiter bei der Umsetzung seines Konjunkturprogramms und seiner Resilienz", lobt eine Kommissionssprecherin. Internen Schätzungen der Behörde zufolge sei der Wiederaufbauplan "die Haupttriebfeder der Investitionsausgaben und trägt in erheblichem Maße zum Wirtschaftswachstum bei", heißt es. Langfristig sei zudem mit steigender Produktivität zu rechnen.

Bonitätswächter und Ökonomen legen da schon eher den Finger in die Wunde. Nach wie vor ist von strukturellen Schwächen in der griechischen Wirtschaft die Rede, die sich am Arbeitsmarkt niederschlagen. Die Arbeitslosenquote liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt. Unter den 15- bis 24-Jährigen ist fast jeder Dritte erwerbslos: Mit 31,4% hatte Griechenland 2022 nach offiziellen Angaben die höchste Jugenderwerbslosenquote der EU. Der Durchschnitt liegt bei 14,5%.

Für die griechische Notenbank ist die Heraufstufung durch Scope einer Stellungnahme zufolge ein Mutmacher: Diese Entwicklung stärke die Prognosen für eine Heraufstufung bis Ende 2023 durch die von der EZB anerkannten Ratingagenturen, also S&P, Moody’s und Fitch. "Noch blicken die Ratingagenturen gemischt auf Hellas", schränken die Analysten der DZ Bank ein. "Während S&P das Land aktuell mit BB+ (positiv) einstuft, so dass die Heraufstufung schon bald stattfinden könnte, bleibt Moody’s eher kritisch."

Für S&P sind durch die Wiederwahl der Regierung Mitsotakis die Chancen gestiegen, dass "wachstumsfördernde Reformen" weitergehen. S&P achtet auf das Ansinnen, Gerichtsprozesse zu verkürzen und den Rechtsrahmen für staatliche Unternehmen zu modernisieren. Fitch legt zusätzlich zum Schuldenabbau Wert auf ein höheres Wachstumspotenzial und will dafür einen Investitionsschub sehen.

Moody’s knüpft ein höheres Rating daran, dass Griechenland die projizierten Zielmarken für Wachstum und Schuldenabbau toppen kann. Die Schuldenquote müsste dafür im laufenden Jahr unter 162% der Wirtschaftsleistung und spätestens 2026 absehbar unter 150% fallen. Auch der Anteil fauler Kredite in den Bankbilanzen muss für Moody’s weiter sinken, bevor es Investment Grade gibt.

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