Groteske Debatte über die Geldpolitik der EZB
Groteske Debatte über die Geldpolitik der EZB
EZB
Groteske Kaffeesatzleserei
Von Martin Pirkl
Plötzlich diskutieren alle, ob der nächste EZB-Zinsschritt eine Erhöhung ist. Die Debatte ist fehlgeleitet, zeigt aber den Einfluss von Isabel Schnabel auf die Finanzmärkte.
In den vergangenen Tagen hat die Debatte unter Investoren und Ökonomen über eine Zinserhöhung der EZB im kommenden Jahr an Fahrt gewonnen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde verweigerte sich am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid dieser Diskussion. Alle Optionen – damit auch eine Zinssenkung – blieben für die kommenden Sitzungen auf dem Tisch. Hier herrsche auch Einigkeit im EZB-Rat.
Die Debatte beflügelt hatte zuvor EZB-Direktorin Isabel Schnabel in einem viel beachteten Interview Anfang des Monats. Dort sagte sie, die Zinsen könnten für eine längere Zeit stabil bleiben und der nächste Schritt der Europäischen Zentralbank sei womöglich eine Zinserhöhung. Einen konkreten Zeitpunkt nannte sie für die mögliche Straffung nicht. Ans erste Halbjahr 2026 wird sie dabei aber sicherlich nicht gedacht haben, sondern eher an 2027 oder Ende 2026.
Die eigentliche Botschaft von Schnabel ist daher, sie erwartet eine lange Phase stabiler Zinsen, eine baldige Zinssenkung ist für sie sehr unwahrscheinlich. Die Diskussion, ob der nächste Schritt dann eine Erhöhung oder eine Zinssenkung ist, ist eine ziemlich groteske Kaffeesatzleserei.
Zu langer Zeithorizont
Schon in normalen Zeiten sind Prognosen über einen so langen Zeitraum unzuverlässig. Aktuell sind sie Makulatur. Die Unsicherheit ist weiterhin extrem hoch. Zwar hat sich der Zollkonflikt der USA mit weiten Teilen der Welt zumindest etwas beruhigt. Doch offen ist, wie es mit Künstlicher Intelligenz weitergeht, dem Krieg in der Ukraine oder der Unabhängigkeit der US-Notenbank. Jedes einzelne dieser Themen kann den Inflationsausblick in der Eurozone innerhalb kürzester Zeit stark verändern. Neue Zollkonflikte sowieso.
Bei den Spekulationen um eine Zinserhöhung kommt ein weiterer Punkt hinzu. Isabel Schnabel ist ohne jeden Zweifel fachlich sehr versiert, doch sie vertritt nicht die durchschnittliche Position eines EZB-Ratsmitglieds. Im Gegenteil, seit dem Ausscheiden von Robert Holzmann ist sie vielleicht diejenige im EZB-Rat mit den geldpolitisch restriktivsten Ansichten.
Die von ihr losgetretene Debatte verdeutlicht aber ein weiteres Mal den großen Einfluss von ihr auf die Finanzmärkte. Eine Fähigkeit, die für die EZB von Vorteil wäre, sollte sie tatsächlich die nächste EZB-Präsidentin werden.
