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Zinswende hält umstrittenes Immobilienkonzept klein

Bisher ist es schwierig, Geld aus einem Haus zu ziehen, solange man darin lebt. Mit dem Teilverkauf entstand ein neues Modell. Doch höhere Zinsen und der Immobilienpreisrutsch bremsen das Geschäft.

Zinswende hält umstrittenes Immobilienkonzept klein

Zinswende hält umstrittenen Hausteilverkauf klein

Bisher ist es schwierig, Geld aus einem Haus zu ziehen, solange man darin lebt. Mit dem Teilverkauf entstand ein neues Modell. Doch Zinswende und Immobilienpreisflaute bremsen das Geschäft.

Von Jan Schrader, Frankfurt

Selten klaffen Theorie und Praxis so weit auseinander: Rund 2 Millionen private Haushalte in Deutschland kommen als Kundengruppe dafür infrage, ihr eigenes Haus noch zu Lebzeiten zu Geld zu machen, ohne dabei das Objekt zu verlassen. So lautet eine beispielhafte Schätzung einer ökonomischen Studie. Die Forscher des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), der Paris School of Economics und der Universität in Cambridge erfassten dabei in der gemeinsamen Analyse alle Haushalte, deren Bewohner mindestens 65 Jahre alt sind und deren Immobilie mehr als 250.000 Euro wert ist.

Doch der Markt ist winzig. Tilgungsfreie Darlehen und Umkehrhypotheken sowie der Verkauf gegen Einmalzahlung oder monatlicher Rente mit lebenslangem Nießbrauch oder Wohnrecht spielen in Deutschland eine geringe Rolle. Auch das junge Modell eines Teilverkaufs, bei denen die Eigentümer das Haus bis zur Hälfte verkaufen und fortan ein Nutzungsentgelt als eine Art Miete entrichten, kommt bisher auf marktweit rund 5.000 Transaktionen, wie der Bundesverband Immobilienverrentung (BVIV) zusammenfasst. Zinswende und Immobilienpreisflaute erschweren das Geschäft.

„Der Markt wird sich drehen“

Die Branche zeigt sich gleichwohl zuversichtlich. „Wir gehen von einem stark wachsenden Markt aus, allein schon aus demografischen Gründen“, sagt Thomas Weiss, Chef der Vobahome, der Teilverkaufstochter der Vereinigten Volksbank Raiffeisenbank in Reinheim nahe Darmstadt. Die Geldentwertung mindere die Rente vieler Menschen, so dass der Bedarf steige, Geld aus der eigenen Immobilie zu ziehen, sagt Christoph Sedlmeier, Vorstand des BVIV und Leiter der Zustifterrente der Stiftung Liebenau. Auch hofft die Branche auf ein Ende des Preisrutsches von Immobilien. „Der Markt wird sich drehen“, sagt Christoph Neuhaus, Chef und Gründer der Teilkauffirma Wertfaktor.

Die Branche steht seit der Zinswende von zwei Seiten unter Druck: Bleiben Wertzuwächse aus, lohnt sich der Teilerwerb einer Immobilie für die Anbieter weniger. So betreibt Wertfaktor derzeit keine aktive Kundenakquise. Auf der anderen Seite verliert das Modell für Privatleute an Glanz, wenn das Nutzungsentgelt mit dem Zinsniveau steigt und zugleich die Teilkäufer weniger Geld für den Anteil am Haus auf den Tisch legen.

Enorme Risiken für Geldgeber

Der Markt war aber schon zuvor schwierig, weil die Risiken für die Geldgeber schwer kalkulierbar sind. Weder Lebensdauer der Kunden noch Zinsniveau noch Immobilienpreise lassen sich vorhersagen. Daher ist es schwierig, taugliche Angebote zu unterbreiten. Das gilt auf ähnliche Weise für alle Modelle.

So ist jedes Darlehen, das nicht zu Lebzeiten getilgt wird, für Geldgeber schwierig. Denn um auszuschließen, dass die Schuld am Ende den Erlös aus einem Verkauf des Hauses übersteigt, müssen sie die Kredithöchstgrenzen niedrig ansetzen. Anbieter wie DKB, die Investitionsbank Schleswig-Holstein und der Versicherer R+V haben den Kreditmarkt in diesem speziellen Segment bereits vor Jahren wieder verlassen. Immerhin sind heute eine Handvoll Banken als Geldgeber bereit, wie die Stiftung Warentest im November 2022 festhielt. In Großbritannien, den USA und Australien ist der Markt schon etwas größer.

Ein Komplettverkauf gegen Einmalzahlung oder eine meist zeitlich befristete Rente wiederum ist für Käufer heikel, weil sie bis zum Tod der Kunden abwarten müssen, ehe sie das Objekt veräußern können. Auch dieses Modell ist selten. Der BVIV schätzt die bisherigen Transaktionen im Markt auf mehrere Tausend. Die Deutsche Leibrenten Grundbesitz in Frankfurt meldet bereits 1.000 Immobilienankäufe, sieht aber seit der Zinswende ebenfalls ein schwächeres Neugeschäft. Häufig sind die Kunden bereits im fortgeschrittenen Alter. Die Firma setzt das Mindestalter auf 70 Jahre, der durchschnittliche Kunde sei annähernd 79 Jahre alt. „Die Immobilienrente ist ein Produkt für die späte Lebensphase“, sagt Vorstand Friedrich Thiele.

Seit 2019 im Einsatz

Bleibt noch der Teilkauf, den Wertfaktor mit einer ersten Transaktion Ende 2018 erprobte und im Folgejahr ausrollte. Die Deutsche Teilkauf, Vobahome, Heimkapital und Engel & Völkers Liquid Home zogen kurz darauf nach. Die Anbieter kaufen dabei die Immobilie bis zur Hälfte auf und berechnen den Kunden im Gegenzug ein Nutzungsentgelt. Die Finanzierung läuft über Banken, die den Teilkaufanbietern Kredit gewähren. So treten etwa Genossenschaftsbanken wie die Volksbank Mittelhessen, die VR-Bank Memmingen oder die Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank als Geldgeber auf.

Weil sich die Teilkaufanbieter über Banken finanzieren, ist das Zinsniveau ausschlaggebend für die Höhe des Nutzungsentgelts, das die Kunden aufbringen müssen. Ungefähr 4,0 bis 4,5% pro Jahr seien derzeit realistisch, sagt Wertfaktor-Chef Neuhaus. Bei ungefähr 3% lag das Niveau noch in der Tiefzinsphase, während Mitte 2023, als das Zinsniveau zeitweilig noch höher lag als jetzt, grob geschätzt rund 5,75% üblich waren. Banken kalkulierten mit einer Kreditmarge von 100 bis 150 Basispunkten.

Das Neugeschäft ist nun geringer, doch zum Erliegen kam es nicht. Viele Kunden sind auf das Geld angewiesen. Weniger für ein Wohnmobil oder eine Weltreise, sondern für die Renovierung der Immobilie oder für die Pflege eines Angehörigen wenden Kunden das Geld heute auf, berichtet Neuhaus. „Die Wünsche sind nicht mehr so bunt wie vorher.“ Arm sind die Kunden nicht. Viele Kunden verfügten über ein überdurchschnittliches Einkommen, sagt BVIV-Vorstand Sedlmeier.

BaFin rümpft die Nase

Verbraucherschützer stufen den Teilverkauf als wenig attraktiv ein: „Viele Haken und Unwägbarkeiten“, hielt die Stiftung Warentest im November 2022 für geprüfte Angebote fest. „Selten die beste Lösung“, urteilte die Finanzaufsicht BaFin im März 2023. Die Kritik ist hier wie dort ähnlich: Einen möglichen Wertverlust trage der Kunde, eine Insolvenz des Teilkaufanbieters sei – je nach Vertrag – ein Risiko.

Auch stören sich beide Institutionen an Instandhaltungskosten, für die der Kunde verantwortlich sei. Die BaFin dringt dem Vernehmen nach darauf, dass Teilkaufanbieter künftig bei bestimmten Sanierungen einen Teil der Kosten tragen müssen, also eine Verantwortung als Eigentümer übernehmen. Die Stiftung Warentest stuft das Nutzungsentgelt im Vergleich zu Kreditzinsen als hoch ein und warnt vor etwaigen Erhöhungen in der Zukunft.

Das Klischee vom armen Mütterchen, das über den Tisch gezogen wird, trifft nicht zu.

Christoph Sedlmeier, Vorstand Bundesverband Immobilienverrentung (BVIV)

Die Branche weist die Kritik zurück: So sehen verschiedene Anbieter den Kunden auch im Falle einer Insolvenz geschützt. Allerdings erklärt die Branche auch, sich gegen einen möglichen Wertverfall der Immobilie absichern zu müssen, um im Gegenzug Flexibilität, also den Verkauf zu jeder Zeit, zu gewährleisten. Die Kunden wüssten, worauf sie sich einlassen, betont BVIV-Vorstand Sedlmeier. „Das Klischee vom armen Mütterchen, das über den Tisch gezogen wird, trifft nicht zu.“

Der Weg ist noch weit

Ob der Teilkauf künftig abhebt, liegt aber auch an den Banken. In dieses Horn stößt Thiele, der als Vorstand der Deutschen Leibrenten Grundbesitz das Teilkaufmodell ablehnt. „Die Kreditwirtschaft steht in der Pflicht, ein passendes Angebot zu machen“, sagt er. Doch egal, welches Modell am besten passt: Bis zur Marke von 2 Millionen Kunden ist es noch weit.

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