Im BlickfeldUS-Präsidentschaftswahl

Heißes Rennen um die republikanische Kandidatur

Donald Trump will wieder US-Präsident werden, doch zahlreiche andere Republikaner trauen sich zu, Trump den Rang abzulaufen und aus den Vorwahlen als Spitzenkandidat hervorzugehen.

Heißes Rennen um die republikanische Kandidatur

US-Republikaner vor Zerreißprobe

Trump wegen Strafverfahren verwundbar – Seine republikanischen Gegner müssen moderate Wähler begeistern

Von Peter De Thier, Washington

Der US-Präsidentschaftswahlkampf kommt langsam auf Touren, und angesichts steten Wirtschaftswachstums, rückläufiger Inflation sowie solider legislativer Erfolge müsste der amtierende Regierungschef Joe Biden eigentlich gute Aussichten auf eine Wiederwahl haben. Die Realität sieht aber anders aus. In der Wählergunst ist Biden, den Republikaner mit Erfolg als “radikalen Linken” gebrandmarkt haben, auf einem Tiefpunkt angelangt. Und die besten Chancen, ihn zu bezwingen, hat ausgerechnet sein mehrfach angeklagter Vorgänger Donald Trump. Trump aber muss zunächst mit parteiinternen Konkurrenten fertig werden, die sich zutrauen, aus den republikanischen Vorwahlen als Sieger hervorzugehen. 

Während seiner ersten zweieinhalb Jahre im Amt hat US-Präsident Joe Biden milliardenschwere Gesetze unterschrieben, die während der Coronakrise mit staatlichen Hilfen die Wirtschaft über Wasser hielten, Investitionen in die Infrastruktur und erneuerbare Energien beschleunigten und Beiträge zur Inflationsbekämpfung geleistet haben. Die Arbeitslosenquote liegt mit 3,7% dicht an der Marke von 3,5%, die als Vollbeschäftigung angesehen wird, und die Steigerungsrate der Verbraucherpreise betrug vergangenen Monat mit 4,0% weniger als die Hälfte jener 9,1%, die im Juni vorigen Jahres gemessen wurde. 

Zum ersten Mal seit 1892?

Eine gute Ausgangsposition, müsste man glauben, für das Wahljahr 2024. Gleichwohl geben weniger als die Hälfte seiner Landsleute Biden gute Noten, und aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass sich ein seinerzeit historisches Ereignis wiederholen könnte. 1884 gewann der Demokrat Grover Cleveland die Präsidentschaftswahl, unterlag dann vier Jahre später gegen den Republikaner Benjamin Harrison, konnte 1892 aber den Chefsessel im Weißen Haus von demselben Kontrahenten zurückerobern. 

Nun schickt sich der 2020 abgewählte Donald Trump an, Clevelands Erfolg zu wiederholen. Fände die Wahl diese Woche statt, dann würde sich Trump einer Befragung der Universität Harvard College und des Harris Poll zufolge gegen Biden mit einem Vorsprung von 6 Prozentpunkten durchsetzen. Andere Umfragen gelangen zu ähnlichen Ergebnissen. Trump würde souverän gewinnen, und zwar ungeachtet des Strafverfahrens gegen ihn wegen des Umgangs mit geheimen Dokumenten, ungeachtet seiner Rolle bei dem Aufstand im US-Kapitol und der Tatsache, dass Biden eine ansehnliche Zwischenbilanz ziehen kann. Da der Demokrat in der eigenen Partei praktisch keine Konkurrenz hat, ist so gut wie sicher, dass er ohne unvorhergesehene Entwicklungen den Zuschlag für eine weitere Spitzenkandidatur bekommen wird.

Wie aber werden die Republikaner mit ihrem querdenkenden Favoriten umgehen? Dass Trump in er eigenen Partei ein Dutzend Gegner hat, deutet darauf hin, dass Unzufriedenheit herrscht und sich auch andere Chancen ausrechnen. Die meisten Republikaner haben indes nach wie vor Angst, Trump anzugreifen, und genau darin besteht das Dilemma der Partei: Abgesehen von dem rechtsgerichteten Parteiflügel wissen die Republikaner, dass Trump für drei aufeinanderfolgende Niederlagen verantwortlich ist: für die Kongresswahlen 2018, 2020 und 2022 sowie die eigene Schlappe gegen Biden. Sie sehnen zwar eine Alternative zu dem Unternehmer herbei, wissen aber, dass jede Kritik zur Folge haben wird, dass er seine politische Basis gegen sie mobilisiert. Wollen seine  Gegner, unter ihnen Floridas Regierungschef Ron DeSantis, der ehemalige Vizepräsident Mike Pence, die früheren Gouverneure Chris Christie und Nikki Haley oder Senator Tim Scott aber reüssieren, dann müssen sie früher oder später zum Angriff blasen. 

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die politischen Positionen der übrigen Kandidaten weitgehend deckungsgleich sind: Sie fordern niedrigere Steuern, strikte Haushaltsdisziplin, eine Lockerung der Finanzmarktaufsicht und eine auf bilaterale Abkommen ausgerichtete Handelspolitik. Einig sind sie sich auch in ihrer einstimmigen Kritik an Biden, seiner “verschwenderischen Ausgabenpolitik”, dem Wiedereinstieg in das Pariser Klimaabkommen sowie dem Bekenntnis zu Multilateralismus und Globalisierung. Da sich die Kandidaten nicht durch politische Originalität profilieren können, besteht deren einzige Chance darin, Trump an den Pranger zu stellen. Das aber wagen bisher nur die wenigsten, etwa Christie, der früher in New Jersey die Regierungsgeschäfte führte. Heute verspottet er den ehemaligen Präsidenten als “dreifachen Verlierer”, bescheinigt ihm die Reife “eines bockigen Kleinkinds” und sagt voraus, dass Trumps Wahlkampf von “sehr ernsten juristischen Problemen” überschattet sein wird. Deutlich leisere Kritik üben der ehemalige Präsident Mike Pence sowie Haley, seinerzeit Trumps Botschafterin bei der UN. Die übrigen Kandidaten hingegen schweigen sich zu dem Topfavoriten in ihrer Partei aus und konzentrieren ihre Angriffe auf Biden.

Wie aber geht es weiter, wird Trump wie in der Vergangenheit im Ansehen seiner loyalsten Wähler mit jedem Skandal – die nächste Anklage wegen Wahlmanipulation im Staat Georgia könnte unmittelbar bevorstehen – weiter steigen? Oder werden Lügen, Gesetzesverstöße und die daraus resultierenden Gerichtsverfahren seine Kandidatur zu Fall bringen? Sein Vorsprung gegenüber DeSantis, der mit seinem Kulturkrieg eine ähnliche Agenda wie Trump verfolgt, aber berechenbarer ist, ist stattlich, während der letzten Wochen aber geschrumpft. Auch holen Pence und Christie langsam auf.

Bewährungsprobe im August

Die erste Nagelprobe steht im August an, wenn die republikanischen Fernsehdebatten beginnen, und diesmal werden Trumps Gegner gut gewappnet sein. Auf persönliche Angriffe, mit denen er 2016 seine Gegner zermürbte, werden sie mit den gravierenden Strafverfahren gegen Trump kontern, die auch unentschlossene Wechselwähler werden aufhorchen lassen. Natürlich könnte er wiedergewählt werden und das Justizministerium für eine Vendetta gegen Biden einbinden. Auch könnte Trump verlieren, womit eine Neuauflage des Versuchs, die Wahl zu stehlen, nicht ausgeschlossen wäre. Möglich ist aber auch, dass ein anderer Republikaner Wähler begeistert, die des Unternehmers überdrüssig sind, und Trump schon in der Vorrunde ausscheidet. Noch nie war ein Wahlausgang so ungewiss. Der Weg dorthin dürfte so turbulent werden wie selten zuvor.

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