Im kriminellen Sumpf versunken
Cum-ex
Im kriminellen Sumpf versunken
Von Thomas List
Cum-ex-Geschäfte waren ein Griff in die Staatskasse. Das war den meisten Beteiligten von Anfang an klar – zuvorderst den Juristen.
Das gehörte sicherlich zu den bittersten 90 Minuten im Leben des Steueranwalts Ulf Johannemann: die Urteilsverkündigung im Cum-ex-Prozess vor dem Frankfurter Landgericht. Dreieinhalb Jahre soll er in Haft. Aus der von der Verteidigung gewünschten Bewährungsstrafe wurde damit nichts. Mindestens ebenso bitter waren aber auch die weiteren Aussagen des vom erfahrenen Vorsitzenden Richter Werner Gröschel verlesenen Urteils. Bei Cum-ex habe es sich um einen Griff in die Staatskasse gehandelt, er zitierte zustimmend einen Maple-Bank-Manager, nach dem es sich um ein „intuitiv betrügerisches System“ handelt, und er stellte klar, dass der Ex-Steuerchef von Freshfields Bruckhaus Deringer wusste, was bei der Bank in Sachen Cum-ex lief. Er war von Anfang an an allen wesentlichen Besprechungen in der Bank beteiligt und hat mit seinen Gutachten die Cum-ex-Geschäfte der Bank zwar nicht initiiert, aber ermöglicht – über drei Jahre mit einem Schaden für den Fiskus in dreistelliger Millionen-Euro-Höhe.
Erhebliche kriminelle Energie
Gröschel sprach von einer erheblichen kriminellen Energie, von bandenmäßigen Strukturen in der Bank, ja sogar von organisierter Kriminalität. Besonders gravierend war, dass Johannemann in den Verfahren der Finanzverwaltung ab 2011 eine zentrale Position einnahm und das Geschehen gelenkt habe. Er habe gewusst, dass die Geschäfte nur durch die (doppelte) Erstattung der Kapitalertragsteuer wirtschaftlich sinnvoll waren. Das alles nur, um den Wünschen des Auftraggebers, also der Maple Bank, zu entsprechen. Dabei hat er einen zentralen Grundsatz des Rechtsanwaltsberufs, seine Unabhängigkeit, vernachlässigt. Johannemann hat als Anwalt versagt, wie er in seinem Geständnis Mitte Dezember 2023 vor Gericht eingestand. Das war zwar laut Gröschel „nicht zu spät“, aber der Zeitpunkt zeigt eben doch, dass der Anwalt sich erst dazu durchrang, als es gar nicht mehr anders ging. Er hätte spätestens zu Beginn des Prozesses reinen Tisch machen sollen – wie der mitangeklagte Ex-Maple-Geschäftsführer W., der eine Bewährungsstrafe erhielt.
Dass das Gericht das Geständnis nur eingeschränkt berücksichtigte, zeigt auch Gröschels Einlassung, Johannemann habe wohl eher bereut, erwischt worden zu sein. Das lässt für die zu erwartenden berufsrechtlichen Verfahren gegen den Rechtsanwalt und Steuerberater nichts Gutes erwarten. Und nicht zuletzt wissen jetzt auch die anderen Anwälte, die in Sachen Cum-ex (positiv) beraten haben, was sie in ihren Verfahren erwarten können.