Leitartikel Bundeshaushalt

Im Zeichen der Schulden

Die Fiskalpolitik braucht nach dem Urteil zur Schuldenbremse eine strukturelle Kehrtwende. Diese muss die Ampel noch liefern.

Im Zeichen der Schulden

Bundeshaushalt

Im Zeichen der Schulden

Die Fiskalpolitik braucht nach dem Urteil zur Schuldenbremse eine strukturelle Kehrtwende. Diese steht noch aus.

Von Angela Wefers

Die Generalaussprache im Bundestag zum Etat 2024 bot dieses Mal ein außergewöhnliches Bild: Präsidium, Kanzler und Kabinett sowie viele Abgeordnete waren in schwarze Trauerkleidung gehüllt. Anlass war nicht die Haushaltsdebatte, sondern die vorangegangene Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Plenum, aber ein kleines Zeichen schien es schon zu sein. Der Etat 2024 des Bundes hat etwas von einem Trauerspiel. Erst Anfang Februar kann er verabschiedet werden, einen Monat nach Jahresbeginn. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen November traf die Ampel-Koalition hart und völlig unvorbereitet. Sie musste ihren Haushaltsentwurf überarbeiten und eine Lücke von 17 Mrd. Euro im 477 Mrd. Euro ausgabenschweren Etat schließen, nachdem das Gericht Umwege an der Schuldenbremse vorbei versperrt hatte. SPD, Grüne und FDP brauchten Zeit, um den Haushalt zu flicken.

Zu einer disziplinierteren Ausgabenpolitik hat das Urteil nicht geführt. Der Bund gibt 19 Mrd. Euro mehr aus als im Vorjahr und 31 Mrd. Euro mehr. als die Bundesregierung noch im Entwurf geplant hatte. Dies hat vor allem damit zu tun, dass die Ampel im Haushaltsausschuss des Bundestags den zusätzlichen Verschuldungsspielraum, den die Schuldenbremse im Herbst wegen der schlechten Konjunktur erlaubte, trotz des Urteils vollständig für Ausgaben verplante – und dies keineswegs für Investitionen. Dies tat sie nur einen Tag nach der Entscheidung aus Karlsruhe, ohne Ansehen der neuen Lage. Zurückgenommen wurde davon nichts. Die 17-Mrd.-Euro-Lücke deckten die Regierungsfraktionen kaum durch Sparmaßnahmen, sondern großenteils aus Einnahmeerhöhungen: einer Mischung aus Subventionskürzungen und Steuererhöhungen für Plastik, bei Gastronomen oder im Luftverkehr. Auch steigende Maut- und CO2-Abgaben füllen die Staatskasse.

Die steigende Staatsverschuldung hat Karlsruhe ebenfalls nicht gebremst. Die Nettokreditaufnahme wird in diesem Jahr konjunkturbedingt mit 39 Mrd. Euro deutlich höher liegen als mit 27 Mrd. Euro im vergangenen Jahr und mit knapp 17 Mrd. Euro, die bei Aufstellung des Etatentwurfs 2024 erlaubt waren. Die Schuldenbremse wird trotz der höheren Nettokreditaufnahme in diesem Jahr erstmals seit 2019 wieder eingehalten – zumindest besteht die Absicht. Ihre Konjunkturkomponente in der Berechnung lässt sie durchaus flexibel auf die derzeit schlechte Wirtschaftslage reagieren. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen: Wenn die bereits eingeplante Hilfe für die Ukraine nicht reicht, will die Ampel erneut einen Notlagenbeschluss und die Schuldenregel erneut aussetzen. Puffer fehlen für so einen Fall im Etat.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die nationalen Schuldenregeln wirklich eingehalten werden müssen, hat auch keine Umkehr in der Fiskalpolitik bewirkt. Vielmehr wird diskutiert, wie die Fesseln am besten gelockert werden können. Deutschland muss mehr für Sicherheit in der neuen Weltlage ausgeben und mehr in die Transformation zu CO2-Neutralität investieren, wenn die Klimawende gelingen soll. Der Schlüssel zu gesicherten Steuermehreinnahmen liegt in einer wachsenden Wirtschaft mit hoher Beschäftigung. Darauf muss der Haushalt erst noch strukturell ausgerichtet werden – aber nicht allein durch zusätzliche Verschuldung.

Es ist ein Zufall, aber bezeichnend, dass der Bund 20024 ungefähr genauso viel neue Schulden macht, wie er für Zinsen ausgeben muss. Wachsende Zinslasten infolge steigender Verschuldung lassen finanziell weniger politische Gestaltung zu. Die Zeiten für die Fiskalpolitik werden ohnehin schwieriger, dies zeichnet sich schon deutlich ab. Neben den neuen Aufgaben muss der Bund von 2028 an die Notlagenkredite jenseits der Schuldenbremse tilgen – ein jährlich zweistelliger Milliardenbetrag fehlt dann im Etat. Mehr Investitionen versprechen sich die Befürworter von einer gelockerten Schuldenbremse. Dies setzt eine enge Verknüpfung von Krediten und Investitionen voraus sowie eine Institution, die wirksam darüber wacht. Mehr Schulden allein lösen kein Problem. Es kommt vor allem darauf an, wie die Mittel eingesetzt werden.

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