KommentarSiemens Energy

In schlechter Gesellschaft

Die Investoren wenden sich von Siemens Energy ab. Ein Kurssturz von gut einem Drittel ist der Beweis eines außergewöhnlichen Vertrauensverlusts. Es braucht nun Signale personeller und/oder strategischer Art.

In schlechter Gesellschaft

Siemens Energy

In schlechter Gesellschaft

Von Michael Flämig

Am Freitag hat sich Siemens Energy eine Watschn der Extraklasse einfangen. Selbst in Bayern, das seit vielen Jahren eine erstaunlich hohe Zahl von Pleiten am Kapitalmarkt registrieren muss, ist ein Kurssturz von 37% für einen Dax-Wert an einem Tag die Ausnahme. Siemens Energy steht in dieser Hinsicht auf einer Stufe mit der Finanzkrisen-Bank Hypo Real Estate (HRE) und dem mutmaßlichen Betrugsunternehmen Wirecard.

Nun ist Siemens Energy kein Insolvenz-Kandidat. Leider haben die Investoren trotzdem gute Gründe zur Flucht. Sonderkosten für Turbinen-Qualitätsmängel in Höhe von mehr als 1 Mrd. Euro, die die Energy-Tochter Siemens Gamesa am Donnerstagabend angemeldet hat, sind schon an sich eine Katastrophe. Dieser Betrag frisst einen beträchtlichen Teil der Gewinne auf, die das aktuelle Gamesa-Auftragsbuch von Onshore-Windturbinen für die Zukunft versprochen hat.

Noch schlimmer allerdings ist: Diese Verfehlung reiht sich in eine beispiellose Serie von Gewinnwarnungen teils im Quartalstakt ein. Welcher Anleger soll dem Windturbinen-Spezialisten angesichts dieser schockierenden Erfahrungen noch trauen? Der Konzern mag wichtig sein für die Energiewende. Aus Kapitalmarktsicht produziert er vor allem rote Zahlen.

Das Ausmaß des Kurseinbruchs wird jedoch nur verständlich, wenn man einen weiteren Faktor berücksichtigt. Energiewende und staatliche Anreizprogramme schienen den baldigen Gamesa-Alleineigentümer Siemens Energy in diesem Jahr aus Investorensicht zum großen Gewinner zu machen. Der Aktienkurs stieg und stieg. Noch vor fünf Wochen bei der Präsentation der Halbjahreszahlen fehlte jeder Hinweis des Managements darauf, dass ein Risiko aufgrund einer laufenden Portfolio-Überprüfung vorhanden ist. Entsprechend stehen die Analysten, die ihren Kunden den Kauf von Siemens Energy ans Herz legten, saublöd da. Der Kapitalmarkt hat da ein langes Gedächtnis.

Was tun? Energy und Gamesa haben schon sehr viel versucht. Vom Chefwechsel bis zur Komplettübernahme reicht die Palette. Insofern gibt es keine einfache Lösung. Weiterwurschteln ist natürlich keine Option, und eine Änderung ausschließlich der Unternehmenskultur überzeugt extern nicht. Es braucht angesichts des Vertrauensverlusts Signale personeller und/oder strategischer Art.

Energy hat eine starke Bilanz, aber die Verluste fressen an der Kapitalausstattung. Die Siemens AG strebt zwar einen Beteiligungsabbau an und will keinesfalls frisches Geld investieren. Sie kann jedoch kein Interesse daran haben, dass eine Firma mit “Siemens” im Namen auf dem Niveau von HRE und Wirecard hängenbleibt.