KommentarWorld Economic Outlook

IWF macht sich mit Russland-Prognose angreifbar

Die Wachstumsprognosen des Internationalen Währungsfonds für Russland sind schleierhaft - und eine Steilvorlage für die wachsende Zahl derer, die an der Wirksamkeit der Sanktionen zweifeln.

IWF macht sich mit Russland-Prognose angreifbar

Russland-Prognose

Der IWF macht sich angreifbar

Von Stefan Reccius

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht sich einmal mehr mit massiven Vorwürfen zu seiner aufgewerteten Wachstumsprognose zu Russland konfrontiert. Ökonomen aus Yale beschuldigen den IWF, sich zu Komplizen von Wladimir Putins Propaganda zu machen – “aus Inkompetenz, Faulheit oder womöglich Böserem”. Für Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey A. Sonnenfeld ist der IWF ein Wiederholungstäter, schließlich hat er bereits im Sommer ähnliche Vorwürfe erhoben.

Ob man diese beißende Kritik nun teilt oder nicht: Das Vorgehen des IWF ist mindestens sonderbar. In seinem viel beachteten Weltwirtschaftsausblick hat der Währungsfonds seine diesjährige Projektion für Russland auf +0,7% angehoben. Noch im Herbst hatte er ein stattliches Minus erwartet. Woher die Aufwärtsrevision um satte 3 Prozentpunkte kommt, bleibt schleierhaft.

Der IWF ist auf amtliche Statistiken aus den Mitgliedstaaten angewiesen. Die zensiert der Kreml sukzessive. Die Veröffentlichung essenzieller Konjunkturdaten zu Außenhandel, Kapital- und Investitionsflüssen, Energieerzeugung – um nur einige zu nennen – hat die russische Statistikbehörde eingestellt. Die offiziellen Statistiken sind somit verzerrt, ja manipuliert. Ihnen ist nicht mehr zu trauen, weil sie nur noch einen für den Kreml vorteilhaften Ausschnitt der Wirklichkeit abbilden.

Umso bedenklicher, dass den IWF das nicht anficht – oder er zumindest nichts gegen diesen Eindruck unternimmt. Es wäre das Mindeste, auf eklatante Mängel und Leerstellen hinzuweisen. Indem der Währungsfonds dies unterlässt, macht er sich angreifbar. Nachfragen weicht er aus. Der schmallippige Hinweis auf die hohe Unsicherheit ist im Falle Russlands ungenügend.

Mit seinen gutgläubigen Prognosen liefert der IWF eine Steilvorlage für die wachsende Zahl derer, die an der Wirksamkeit der Sanktionen zweifeln. Indizien gibt es: So hat Russland eine Schattenflotte aufgebaut, um Öl unentdeckt zu verschiffen – allerdings nur zu hohen Rabatten. Der Kreml muss finanzielle Rücklagen anzapfen. Der Wirtschaft gehen die Arbeitskräfte aus, weil sie an die Front müssen oder geflohen sind. Konzerne nehmen Reißaus.

In den schludrigen IWF-Prognosen geht das alles unter. Dabei hat der IWF als womöglich wichtigste Instanz der Weltwirtschaft eine besondere Verantwortung, nach bestem Wissen und Gewissen zu informieren. Denn mit Zweifeln an vermeintlich unwirksamen Sanktionen schwindet der Rückhalt dafür. Dieser Verantwortung wird der IWF leider nicht gerecht.