Juwel an der Rue
Notiert in Wiesbaden
Das abstrakte Juwel an der Rue
Von Thomas List
Von Thomas List
Wer durch Wiesbadens Prachtstraße – liebevoll Rue genannt – geht, kann es nicht übersehen: zwei große weiße Kuben, verbunden durch eine zurückgesetzte Glasfront. Der Bethel-White-Granit aus den USA nimmt zwar die Stein-reiche Bauweise Wiesbadens auf, setzt aber einen deutlichen Kontrast zu den dunklen Gründerzeit-Häusern auf der anderen Straßenseite. Die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung lässt hier ein Museum für eine umfangreiche Sammlung abstrakter Kunst errichten. Reinhard Ernst (78) hat in Limburg zwei Maschinenbauunternehmen, die Harmonic Drive AG und die Ovalo GmbH, aufgebaut und bei vielen Geschäftsreisen seine Leidenschaft für die abstrakte Kunst entdeckt. Im Laufe von fast 40 Jahren trug er rund 960 Kunstwerke zusammen. Da in bestehenden Museen bestenfalls einzelne, ausgesuchte „Highlights“ ausgestellt werden konnten, entstand die Idee eines eigenen Museums.

Ein erster Anlauf in Limburg scheiterte. Ein zweiter Versuch in Wiesbaden – dort lebt das Ehepaar seit Anfang des Jahrtausends – glückte dann. Eine deutliche Mehrheit der Stadtbevölkerung und der Stadtverordneten sprach sich dafür aus, das Eckgrundstück an der Wilhelmstraße, gegenüber dem Landesmuseum und den vor einigen Jahren neu errichteten Kongresshallen, der Stiftung in Erbpacht für 99 Jahre (mit Verlängerungsmöglichkeit) zu überlassen. Dafür errichtet die Stiftung nicht nur für etwa 60 Mill. Euro das Museum, sondern kommt auch über die gesamte Laufzeit für den Unterhalt auf.
Für den Bau verpflichtete Ernst den japanischen Architekten Fumihiko Maki (95), einen Pritzker-Preisträger (gilt als weltweit höchste Auszeichnung für Architekten), der unter anderem das Four World Trade Center in New York konzipiert hat. Makis Bau fasziniert durch Sichtachsen von außen, aber auch von innen auf gegenüberliegende Gebäude, lässt dort Details erkennen, die zuvor nur schwer erkennbar waren.

Innen beeindruckt schon im Eingangsbereich die Helligkeit, die sich aber dann auch durch alle Räume in unterschiedlicher Intensität zieht. Diese Räume – jeder ist unterschiedlich – sollen durch ihre Klar- und Schlichtheit die Kunst im Vordergrund wirken lassen. Da hat der Stifter viel zu bieten. Die Werke, vor allem Öl/Leinwand, aber auch einige Skulpturen, mit Schwerpunkt aus Deutschland, Frankreich, den USA und Japan suchen nach Expertenmeinung weltweit ihresgleichen. Ernst faszinierten die Farben – und das sieht man etwa an den Werken von Helen Frankenthaler, einer von Ernsts Lieblingskünstlerinnen.
Bereits jetzt sind einige große Werke platziert, etwa von Claudia Walde (alias MadC) und Katharina Grosse. Insgesamt werden etwa 60 in der Dauerausstellung Platz finden und alle zwei Jahre teilweise oder vollständig durch andere Werke aus Ernsts Sammlung ersetzt. Zusätzlich wird es zweimal jährlich Sonderausstellungen geben. Die Eröffnung des Museums ist für diesen Sommer geplant.