LeitartikelAmpelpläne

Kapitaldeckung für Altersvorsorge heftig umstritten

Das Generationenkapital reicht nicht aus, um die gesetzliche Rente zu stabilisieren. Bei der privaten Vorsorge liegen die Vorstellungen in der Ampel noch weit auseinander – auch wenn der Abschlussbericht der Fokusgruppe anderes suggeriert.

Kapitaldeckung für Altersvorsorge heftig umstritten

Altersvorsorge

Zauberformel Kapitaldeckung

Von Angela Wefers

Die Ampel packt die Reform der Altersvorsorge über Kapitaldeckung an. Die Positionen liegen noch weit auseinander.

Zumindest in einem Punkt sind sich die Experten einig. Die Altersvorsorge hierzulande braucht eine kapitalgedeckte Komponente. Andernfalls laufen die Kosten in unserer alternden Gesellschaft aus dem Ruder – für die Beitragszahler oder die Steuerzahler. Deshalb ist es richtig, dass die Ampel-Koalition endlich angeht, was ihre schwarz-rote Vorgänger-Regierung versäumt hat: eine Rentenreform. Noch in der Sommerpause wollen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ein erstes Rentenpaket ins Kabinett bringen. Das Rentenniveau von 48% soll über 2025 hinaus gesichert werden. Kapitalkomponente heißt die Zauberformel, die Rentenbeiträge stabilisieren und das Versorgungsniveau sichern soll. Noch in weiter Ferne liegt die Reform der privaten Vorsorge.

Lindner hat die Kapitalkomponente in der gesetzlichen Rente Generationenkapital getauft. Jährlich 10 Mrd. Euro soll der Bund zurücklegen, die er am Kapitalmarkt als Kredit aufnimmt. Die Kapitalerträge aus dem Anlagemanagement einer Staatsagentur sollen – abzüglich der Kreditkosten – in den allgemeinen Topf der Rentenversicherung fließen. Von der FDP-Aktienrente ist nicht viel übrig geblieben. Denn die (künftigen) Rentner generieren keine individuellen Ansprüche aus dem Generationenkapital. Der Aufbau des Kapitalstocks wird zudem nicht ausreichen: Ende der 2030er Jahre werden jährlich 30 bis 40 Mrd. Euro zusätzlich zum Bundeszuschuss benötigt, um das anvisierte Rentenniveau zu halten. Nur einen Bruchteil davon kann der Bund aus dem Kapitalstock erwarten.

Gut also, dass die Ampel auch eine Reform der privaten Rente anpeilt. Die Fokusgruppe private Altersvorsorge hat nun einen Abschlussbericht vorgelegt, wie eine Reform aussehen sollte. Die Riester-Rente mit immerhin rund 16 Millionen Verträgen kränkelt vor sich hin. Eine Reform ist überfällig. Schwarz-Rot hat auch hier nicht geliefert. Die Fokusgruppe aus drei Bundesministern, sechs Wissenschaftlern, Arbeitgebern und Gewerkschaften, zwei Anbieterverbänden – Assekuranz und Fonds – sowie zwei Verbraucherschutzverbänden sowie der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge war ausgewogen besetzt. Die kapitalgedeckte Altersvorsorge in privater Hand soll flexibler werden als die Riester-Rente. In einem staatlich geförderten Altersvorsorgedepot auf bisherigem Förderniveau sollen auch Aktien oder ETFs für das Alter angespart werden dürfen. Garantien für das eingezahlte Kapital, die auf der Rendite der Riester-Rente lasten, wird es nur noch auf Wunsch geben. Mehr Wettbewerb soll die Möglichkeit zum Anbieterwechsel bringen; es soll mehr Transparenz durch Vergleichsplattformen entstehen.

Ein staatlich gemanagtes Standardprodukt für die Altersvorsorge hat die Fokusgruppe nicht empfohlen, obwohl die Grünen und der Verbraucherverband VZBV klar dafür sind. Fondsbranche und Versicherer atmen aber womöglich etwas zu früh auf, dass ihnen die gefürchtete staatliche Konkurrenz erspart bleiben wird. Denn so einvernehmlich, wie der Abschlussbericht scheint, ist er nicht. Das grün geführte Wirtschaftsministerium bedauert in einem Minderheitsvotum, dass sich die Fokusgruppe gegen einen öffentlich verantworteten Altersvorsorgefonds entschieden hat. Der VZBV sprach von einer vertanen Chance. Auch andere meldeten sich mit Kritik: Assekuranz, Aktuare und DGB wollen an der Garantie festhalten. Die Fondsbranche will es nicht.

Eine Befriedung der unterschiedlichen Positionen hat die Fokusgruppe nicht erreicht. Bei vielen Ideen kommt es zudem auf die konkrete Ausgestaltung an. Der gut gemeinte Anbieterwechsel funktioniert nur, wenn er nicht zu teuer wird. Eine langfristige Anlagestrategie wird zudem durch solche Wechselmöglichkeiten erschwert. Für Riester-Sparer soll zwar Bestandsschutz gelten – aber wenn der Riester-Vertrag die staatliche Förderung bereits ausschöpft, ist der Weg in ein Altersvorsorgedepot versperrt. Übergangslösungen sind nötig. Es wird Monate dauern und hart gerungen werden, bis ein Referentenentwurf vorliegen wird. Das Finanzministerium will mit dem Bericht der Fokusgruppe arbeiten. Das Wirtschaftsministerium hat eigene Vorstellungen und wird mitreden. Ein Standardprodukt eines staatlichen Fonds ist noch nicht vom Tisch.

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