KommentarKapitalvorgaben

Kapitalpuffer brauchen solide Begründung

Zusätzliche Kapitalvorgaben für die deutsche Kreditwirtschaft sollten sauber begründet sein. Leider scheut die BaFin davor zurück.

Kapitalpuffer brauchen solide Begründung

Finanzaufsicht

Puffer braucht Transparenz

Von Jan Schrader

Zusätzliche Kapital­vorgaben für die deutsche Kreditwirtschaft sollten umfassend begründet sein. Leider scheut die BaFin davor zurück.

Wie viel Systemrisikopuffer darf’s denn sein? 3% für nichtfinanzielle Unternehmen aus dem Heimatland, wie die Finanzaufsicht in Frankreich den Banken vorschreibt? Bis zu 1% auf alle Ausreichungen, wie es in Österreich üblich ist? Oder gar 9% gemessen am Exposure, das mit Immobilien aus dem Heimatland unterlegt ist und sich Privatleuten zurechnen lässt, wie die Aufsicht in Belgien meint?

Die Einschätzungen der Aufseher, wie viel Kapital die Kreditwirtschaft im Verhältnis zu den risikogewichteten Aktiva zusätzlich vorhalten muss – und wofür –, gehen weit auseinander. Wer will, kann darin tatsächliche Unterschiede im europäischen Bankensystem erkennen, denn Immobilienmärkte, Kreditvergabestandards, Zinsbindung, Bankenresilienz und konjunkturelle Lage sind von Land zu Land nun einmal verschieden. Mit weniger Wohlwollen betrachtet zeigt sich allerdings ein Ermessensspielraum, den nationale Aufseher unterschiedlich nutzen. Wer argwöhnisch ist, mag zum Teil auch Willkür in den heterogenen Vorgaben erkennen.

Mit einem Systemrisikopuffer für Wohnimmobiliendarlehen in Höhe von 2% liegt Deutschland ungefähr im Mittelfeld dessen, was in Europa üblich ist. Dafür mag es solide Gründe geben. Leider lässt sich die Analyse der BaFin nicht konkret nachvollziehen. Da ist von einer „indikatorenbasierten Analyse“ die Rede und von einem „Wohnimmobilien-Stresstest“. Das „Verlustpotenzial“ habe sich binnen zwei Jahren „nicht substanziell verringert“. Aha, soso. Aber wie genau gelangt die Finanzaufsicht zu diesem Ergebnis? Wie sieht die Modellrechnung im Stresstest konkret aus? Das bleibt verborgen.

Genaue Begründung ist auch im Interesse der BaFin

Das ist ein Problem. Eine vernünftige Abwägung von Kosten und Risiken ist für alle Kapitalvorgaben wesentlich. Die Gefahr einer Bankenkrise sollte möglichst gering, der Kapitalaufwand aber auch nicht zu hoch sein. Trifft eine Aufsicht, die Kapitalkosten selbst nicht tragen muss, diese Abwägung angemessen? An diesem Nachweis sollte die BaFin selbst ein Interesse haben.

Natürlich lässt sich jede Modellrechnung auch anders aufstellen und jede Analyse anders führen. Der Umgang mit Risiken ist keine exakte Wissenschaft, sondern lässt Raum für Abwägung und Interpretation. Je konkreter die Begründung, desto genauer lassen sich auch Gegenargumente formulieren. Das aber sollte kein Argument gegen eine umfassende Begründung sein. Eine genaue Analyse erleichtert vielmehr die Debatte darüber, wie viel Kapital Banken brauchen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.