KommentarBankenaufsicht

Kapitalvorgaben gehen alle an!

Die Debatte über die Kapitalausstattung von Banken darf nicht auf Fachkreise beschränkt bleiben. Ohne einen breiten politischen Diskurs bleibt jedenfalls unklar, wie viele Eigenmittel Geldhäuser vorhalten sollten.

Kapitalvorgaben gehen alle an!

Bankenregulierung

Kapitalvorgaben gehen alle an!

Von Jan Schrader

Wie viel Kapital braucht eine Bank? Wer Aufsehern zuhört, bekommt allenfalls vage Aussagen: Ein Hinweis auf solide Kapitalquoten der meisten Banken gehört ebenso zum Repertoire aufsichtlicher Rhetorik wie die Verteidigung zusätzlicher „makroprudenzieller“ Kapitalpuffer, ein Ruf zur vollständigen und raschen Umsetzungen des Basel-III-Pakets sowie nach einer Weiterentwicklung der Abschätzung von Klimarisiken, wie am Montag auf einer Konferenz zur Bankenaufsicht in Frankfurt wieder einmal deutlich wurde. Reicht das Eigenkapital deutscher Banken in Höhe von 456 Mrd. Euro also aus oder brauchen die Geldhäuser mehr davon? Genau weiß es niemand. Manch ein Vertreter der Kreditwirtschaft argwöhnt, dass eine Phase stetig steigender Vorgaben noch lange nicht vorbei ist.

Unklar bleibt die Debatte vor allem deshalb, weil der Umgang mit Risiken allen Modellrechnungen zum Trotz keine exakte Wissenschaft ist. Das Problem besteht nicht nur darin, dass sich gerade operationelle Risiken wie etwaige Angriffe durch Hacker schwer kalkulieren lassen. Vielmehr offenbart der Umgang mit Risiken stets auch Wertvorstellungen einer Gesellschaft: Die Notwendigkeit einer Kreditfinanzierung einerseits und Risiken von Bankkrisen andererseits ist keine Debatte, die nur in Fachkreisen diskutiert werden sollte. Sie geht alle etwas an, nicht nur dann, wenn eine Finanzkrise um sich greift.

Natürlich diskutieren auch Finanzaufsicht und Kreditwirtschaft nicht im luftleeren Raum. Wie tief die Fachdebatte vom Zeitgeist geprägt ist, zeigt das Beispiel Klimawandel: Niemals sprächen Aufsicht und Finanzbranche so angeregt über Klimastresstests, Green Asset Ratio, ESG-Leitlinien und diverse Reformen zur Mobilisierung von Kapital, wäre die globale Erderwärmung in der Öffentlichkeit kein Thema. Wichtig ist, dass umgekehrt auch der grundsätzliche Umgang mit Finanzrisiken in den politischen Diskurs eingebettet ist. Eine bestmögliche Kapitalausstattung kann niemand exakt berechnen. Doch ein anerkannter Wertekompass erleichtert Regulierern und Finanzaufsicht die Arbeit und gibt Banken die Orientierung.

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