KommentarChip-Industrie

Nagelprobe für Qualcomm

Die Abhängigkeit der Autoindustrie von Big Tech ist so weit fortgeschritten, dass eine Vollbremsung geboten erscheint. Aber da helfen nicht nur die Kartellwächter.

Nagelprobe für Qualcomm

QUALCOMM

Machtpoker mit Big Tech

Von Heidi Rohde

Kurz nachdem der US-Chipriese Intel mit der geplanten milliardenschweren Übernahme des israelischen Auftragsfertigers Tower Semiconductor am Widerstand der chinesischen Behörden gescheitert ist, droht auch dem Rivalen Qualcomm beim Zukauf eines Hightech-Unternehmens in Israel eine Hängepartie, und das angesichts einer finanziell offensichtlich nicht nennenswerten Transaktion: Qualcomm hatte die Akquisition von Autotalks im Mai angekündigt, ohne finanzielle Details zu nennen.

Die EU-Kommission prüft nun den Deal, bei dem es um Schlüsseltechnologie für das autonome Fahren geht, auf Initiative von nicht weniger als 15 Mitgliedstaaten, wobei davon auszugehen ist, dass sich insbesondere Deutschland und einige andere Länder, in denen die Automobilindustrie eine tragende Rolle spielt, am lautesten zu Wort gemeldet haben. Nicht nur für China und die USA, sondern auch für Europa ist neuerdings Industriepolitik offenbar primär "Halbleiterpolitik".

Hinzu kommt, dass die Behörden inzwischen dazugelernt haben, bei Schlüsseltechnologien genauer hinzusehen. Während Broadcom die 70-Mrd.-Dollar-Übernahme von VMWare nun unter Auflagen durchgebracht hat, waren sich sogar alle westlichen Kartellbehörden einig, als es um den Kauf des global dominierenden Chipdesigners Arm durch das US-Chip-Powerhouse Nvidia ging. Mit dem Scheitern dieses Deals war klar, dass Transaktionen, die eine solche Machtfülle schaffen, künftig nicht mehr genehmigungsfähig sind.

Dass die Fusionskontrolle nun beim Deal von Qualcomm und Autotalks aktiv wird, zeigt zudem, dass die Kartellwächter zunehmend über klassische Maßstäbe wie Kaufpreis und Umsatzmarktanteile der beteiligten Unternehmen hinausgehen und sich auch der Risiken bewusst werden, die durch die Shopping-Tour von Big Tech bei jungen innovativen Firmen entstehen können. Qualcomm, deren Weltbestseller Snapdragon bereits die globale Smartphone-Industrie beherrscht, könnte mit dem Kauf von Autotalks einen Grundstein für eine ähnliche Position in der Automobilindustrie legen.

Bei den Herstellern und auch in der Politik schrillen deshalb wenig überraschend die Alarmglocken. Schließlich hat die Transformation dieser deutschen Leitbranche bisher schon eine weit fortgeschrittene Abhängigkeit der Unternehmen von Big Tech mit sich gebracht, bei Hochleistungschips zumal von Nvidia, bei Software vielfach von Apple und Google. Eine Vollbremsung erscheint hier wünschenswert, aber da helfen nicht nur die Kartellwächter.

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