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Die Krux goldener Bilderrahmen

Siemens liefert Rekorde. Der Kapitalmarkt sieht den Konzern aber noch nicht als Wachstumswert.

Die Krux goldener Bilderrahmen

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Die Krux goldener Bilderrahmen

Von Michael Flämig

Siemens liefert Rekorde. Der Kapitalmarkt sieht den Konzern aber noch nicht als Wachstumswert.

Sofern es im Keller des Wittelsbacherplatzes goldfarbene Bilderhalter gibt, die dem Zahlenwerk von Siemens einen würdigen Rahmen geben, dürften sie langsam aufgebraucht sein. Denn die Münchner Zentrale kann Rekorde in Serie präsentieren. Das vierte Quartal ist mit Höchstständen nur so gespickt. Auch das Geschäftsjahr, das im September endete, glänzt mit Allzeithochs. Der überlegene Dax-Tagessieg mit einem Kursplus von 6% am Tag der Jahrespressekonferenz ist der Lohn.

Derlei Erfolge werden gerne relativiert mit dem Hinweis, manche Konkurrenten seien ebenfalls exzellent unterwegs. Dies ignoriert die Tatsache, dass Siemens die Positionierung in dem profitablen Wachstumsfeld der digitalisierten Industrieautomatisierung nicht in den Schoß gefallen ist. Der frühere Vorstandschef Joe Kaeser hat den Konzern zusammen mit seiner Mannschaft umgebaut und damit hervorragend positioniert. Schnee von gestern? Stimmt, aber dennoch extrem relevant für heute.

Ebenso wichtig: Die aktuelle Mannschaft unter Roland Busch versteht ihr Geschäft. Auch im Vergleich zu den Lieblingen des Kapitalmarktes glänzt Siemens. Beispiel Schneider Electric. Der Konzern verspricht seinen Investoren, wie beim Kapitalmarkttag am 9. November, die "25%": Die Summe aus organischem Umsatzwachstum (in %) und bereinigter Ebita-Marge soll über den Zyklus hinweg diesen Wert erreichen. Die drei Kernsparten von Siemens waren 2022/2023 viel besser. Sie erreichten mehr als 30% – können sich also in schlechten Zeiten auch mal deutlich weniger leisten.

Die Krux goldener Bilderrahmen ist allerdings: Irgendwann gibt es keine Rekorde mehr, die man dort ausstellen kann, und dann drohen sie inhaltsleerer Tand zu werden. Dieser Zeitpunkt nähert sich, einfach weil die Konjunktur abkühlt. Aber Siemens ist auf diese Situation besser vorbereitet als in der Vergangenheit, denn der Konzern kann einen Ersatz präsentieren. Er produziert seit vier Jahren einen hohen Mittelzufluss. Kontinuierlich kommen so 11 bis 13% des Umsatzes in die Kasse, zuletzt waren es erstmals mehr als 10 Mrd. Euro. Mit diesem Geld lässt sich wuchern: Nicht nur für Dividenden, sondern auch für M&A, Innovationen und Sachanlage-Investitionen.

Warum dies so wichtig ist? Damit Siemens die Kraft hat, auf Wachstumskurs zu bleiben. In dem Umfeld hoher Zinsen läuft sich die alleinige Positionierung als Dividendenwert irgendwann tot, wenn man nicht extrem hohe Ausschüttungen machen will. Der Mittelzufluss gibt Siemens die Möglichkeit, sich als Wachstumswert zu positionieren und so den Blick der Investoren auf sich zu lenken, ohne immer zum goldenen Bilderrahmen greifen zu müssen.

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