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Viele Kapriolen, keine Fortschritte

Elon Musk macht mit Twitter, was ihm gerade passt. Damit steht er seinen hochgesteckten Zielen für das Netzwerk im Weg.

Viele Kapriolen, keine Fortschritte

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Viele Kapriolen, kein Fortschritt

Marcel Richters

Nun hat er es wieder getan: Elon Musk treibt seine Späße mit Twitter. Oder „Titter“, wie inzwischen am Hauptsitz des Unternehmens in San Francisco zu lesen ist. Erst vor wenigen Tagen hatte der Tech-Milliardär das Logo des Kurznachrichtendienstes gegen das einer ursprünglich als Scherz entwickelten Kryptowährung austauschen lassen.

Titter, das ist ein nervöses Lachen – und das dürfte auch einigen Nutzern und Werbekunden über die Lippen kommen, wenn sie von Musks neuesten Kapriolen hören. Denn der Firmenboss scheint einen geradezu nihilistischen Ansatz bei der Führung „seines“ sozialen Netzwerks zu verfolgen. Obwohl Twitter für Regierungen, NGOs und Unternehmen noch immer ein wichtiger Verbreitungskanal und für Journalistinnen und Journalisten aus demselben Grund eine bedeutende Quelle ist, verfährt Musk mit dem Dienst, wie es ihm gerade passt.

In einem Interview mit der BBC hatte Musk kürzlich erstmals zugegeben, dass er Twitter nur gekauft hat, weil er sonst gerichtlich dazu gezwungen worden wäre, und bezeichnete die Leitung des Unternehmens als „ziemlich schmerzhaft“. Das war wohl schon der Kauf, denn auch für den damals reichsten Mann der Welt sind mehr als 44 Mrd. Dollar kein Pappenstiel. Nun agiert er frei nach dem Motto: „Es ist meins, also kann ich damit tun und lassen, was ich will.“

Dabei hat Musk eigentlich ambitionierte Ziele für das Netzwerk. Radikale Einschnitte bei der Belegschaft und immer neue Ideen für Abo-Modelle sollen den Kurznachrichtendienst rentabel machen. Mehr noch: Twitter soll als Basis für eine „Eine-für-alles-App“ dienen, ähnlich dem chinesischen Wechat. Dazu passt, dass Twitter als eigenständiges Unternehmen nicht mehr existiert, sondern seit kurzem zur X Corp. gehört, Musks Dachgesellschaft. Dass ein Umdenken bei seiner Art der Unternehmensführung hilfreicher wäre, um Twitter als Dienstleistungs-App erfolgreich zu machen, kommt Musk wohl nicht in den Sinn. Der Schlingerkurs macht den Dienst unattraktiv, auch wenn es – noch – an echten Alternativen mangelt. Wobei diese an Bedeutung gewinnen könnten, wenn professionelle Nutzer ihre Twitter-Accounts löschen, weil ihnen der Kurs des CEO nicht passt. Hinzu kommt, dass sich nur wenige Werbekunden zwischen entsperrten Accounts voller Hassbotschaften sehen lassen wollen.

Musk wäre also gut beraten, sich auf seine Verantwortung gegenüber Kunden, Nutzern und Belegschaft zu besinnen. Nur dann kann Twitter auf die strahlende Zukunft hoffen, die sich der Tech-Milliardär vorstellt.

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