LeitartikelGeldhäuser in der Krise

Konsolidierung ist für US-Regionalbanken ein zweifelhafter Ausweg

Die Hoffnung vieler US-Investoren ruht darauf, dass zu einseitig fokussierte Regionalbanken einander durch Zusammenschlüsse stabilisieren. Dass dies aber nur bedingt aufgeht, zeigen die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte sowie das aktuelle Beispiel von New York Community Bancorp.

Konsolidierung ist für US-Regionalbanken ein zweifelhafter Ausweg

US-Regionalbanken

Konsolidierung mit Risiken

Für die US-Regionalbanken soll eine fortschreitende Konsolidierung den Ausweg aus einer tiefgreifenden Krise bedeuten – in Wahrheit droht sie den Sektor aber in noch stärkere Turbulenzen zu stürzen. Das beste Beispiel dafür, welche Probleme zu schnelle und häufige Fusionen mit sich bringen können, liefert New York Community Bancorp (NYCB): Im Jahr 2022 übernahm das Geldhaus aus Long Island die Konkurrentin Flagstar Bank, im vergangenen Frühjahr sicherte es sich einen großen Teil der Assets der kollabierten Signature Bank – infolge der Deals wuchs seine Bilanzsumme auf über 100 Mrd. Dollar. Damit zählt sie zu den Instituten der Kategorie IV, für die deutlich härtere Kapital- und Liquiditätsvorgaben gelten als für kleinere Lender.

Das Problem, das auch andere Regionalbanken noch vor Herausforderungen stellen dürfte: Das Wachstum fällt mit einer Gewerbeimmobilienkrise zusammen. Nach großvolumigen Abschreibungen auf Commercial-Real-Estate-Kredite musste NYCB unerwartet hohe Rückstellungen bilden, um ihre Risikovorsorge mit der anderer Kategorie-IV-Institute in Einklang zu bringen. Der resultierende Verlust sowie die Kürzung der Dividende erwischte die Aktionäre kalt. Und obwohl NYCB sich durch eine Milliardenspritze von Private Funds Luft verschafft hat, ist das Image des Geldhauses an den Kapitalmärkten nachhaltig zerstört. Nicht nur haben Fitch und Moody's die Kreditwürdigkeit von NYCB in den Ramschbereich herabgestuft. Es ist überdies für jedermann ersichtlich, dass das Risikomanagement nicht mit dem Wachstum Schritt gehalten hat. So musste das Management substanzielle Mängel in internen Kontrollen einräumen.

Parallelen zur Silicon Valley Bank

Mit solchen Schwächen dürfte NYCB längst nicht allein dastehen. Schließlich war ein zu schnelles Wachstum ein entscheidender Grund für den Regionalbankenkollaps 2023. Zwar unterscheidet sich die Bilanz von NYCB stark von jener der zusammengebrochenen Silicon Valley Bank (SVB). Und doch ist die Parallele zwischen den Instituten eindeutig: SVB kam 2019 auf Assets von rund 70 Mrd. Dollar, zwei Jahre später sollte die Bilanzsumme auf über 200 Mrd. Dollar schnellen. Der Tech-Finanzierer scheiterte letztlich daran, dass er sich auf seinem Expansionskurs nicht genügend gegen steigende Zinsen abgesichert hatte – ebenso wie NYCB unter Druck geriet, weil sie sich nicht ausreichend für Turbulenzen am mit Leerständen und hohem Refinanzierungsbedarf konfrontierten Gewerbeimmobilienmarkt gerüstet hatte.

Nun ruhen die Hoffnungen vieler Marktteilnehmer also darauf, dass Regionalinstitute mit zu einseitigen Exposures einander stabilisieren. Die Entwicklung der vergangenen Dekaden zeigt allerdings, dass dieses Narrativ nur sehr bedingt aufgeht. In den 1980er Jahren gab es in den USA fast 15.000 verschiedene Geschäftsbanken, Anfang des laufenden Jahrtausends waren es noch über 8.000, zuletzt ist die Zahl auf etwas mehr als 4.000 geschrumpft. Zum Kollaps von Washington Mutual 2008, den Zusammenbrüchen von SVB, Signature Bank und First Republic Bank 2023 sowie den Turbulenzen um NYCB kam es trotz oder sogar aufgrund dieser Konsolidierung.

Wettbewerb erleidet Schäden

Wer eine Stabilisierung des Sektors um jeden Preis will, wird für verstärkte Übernahmen regionaler Institute durch größere Banken argumentieren – so wie vergangenes Jahr mit der Notakquisition von First Republic durch J.P. Morgan geschehen. Eine zunehmende Konzentration durch solche Deals schadet allerdings nicht nur dem Wettbewerb im Sinne der Einlagenkunden, sondern erhöht im Zweifel auch die Belastung für den Steuerzahler, auf dessen Rücken Backstops für „Too-Big-to-Fail“-Institutionen ausgetragen werden.

Statt neue Fusionen und Übernahmen in der Branche durchzuwinken, sollten der amerikanische Staat und seine Behörden zunächst ihre eigenen Prozesse stärken. Mit der Umsetzung des globalen Bankenpakets Basel III wollen US-Regulatoren härtere Kapitalstandards auf eine breitere Masse an Geldhäusern anwenden, zugleich aber auch „zugeschnittene“ Anforderungen nach der Größe des Instituts stellen. Damit dies in der Umsetzung funktioniert, ist aber eine effizientere aufsichtliche Kontrolle nötig als bislang vorhanden.

Zunehmende Fusionen sind für US-Regionalbanken ein äußerst unsicherer Ausweg aus ihrer tiefen Krise.

Von Alex Wehnert

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