Back to the Roots
Labours Haushaltsnöte
Back to the Roots
von Andreas Hippin
Staatskonsum allein ist kein Rezept. Labour hat kein Rezept für Wachstum. Großbritannien droht Stagnation.
Im Kabinett des britischen Premierministers Keir Starmer tobt ein erbittert geführter Richtungskampf zwischen New Labour und Altlinken. Schatzkanzlerin Rachel Reeves musste bei ihren Versuchen, zumindest den Anschein von Haushaltsdisziplin aufrechtzuerhalten, bereits einige Niederlagen einstecken. Zuletzt wurde in Westminster darüber spekuliert, ob sie einer Kabinettsumbildung zum Opfer fallen könnte.
Zu Reeves‘ Schlappen gehört der Rückzieher Starmers beim Heizkostenzuschuss für Rentner, der nun wieder vielen gewährt werden soll, die ihn eigentlich nicht nötig haben. Sie hatte ihn gleich nach ihrem Amtsantritt im Juli vergangenen Jahres unter Verweis auf die düstere Haushaltslage gestrichen. Der Premier stellte sich auch hinter Energieminister Ed Miliband und seine kostspieligen Net-Zero-Programme. Am Mittwoch legte die Regierung im Zuge ihrer lang erwarteten Spending Review dar, wofür sie während ihrer Amtszeit mehr als 600 Mrd. Pfund jährlich ausgeben will.
Milliarden für Net Zero und NHS
Im Gegensatz zu Gefängnissen, Justiz und Polizei – grundlegenden staatlichen Aufgaben also – muss Miliband keine Kürzungen hinnehmen. Auch der Wohnungsbau wird stark gefördert. Die zusätzlich bewilligten 29 Mrd. Pfund für das öffentliche Gesundheitssystem NHS jährlich dürften allerdings versickern, ohne dass die während der Pandemie aufgelaufenen Wartelisten jemals kürzer werden.
Mitarbeiter des öffentlichen Diensts und von Branchen wie dem Schienenverkehr, in denen Labour nahestehende Gewerkschaften den Ton angeben, dürften auch in den kommenden Jahren Lohnerhöhungen weit jenseits der Teuerungsrate durchsetzen. Die Ausgaben für die Landesverteidigung will Starmer nur abhängig von der Kassenlage erhöhen. Gar so schlimm ist die Bedrohung durch Russland aus Sicht der britischen Regierung dann offenbar doch nicht.
Parteilinke will Steuern weiter hochschrauben
Die zusätzlichen Einnahmen von 40 Mrd. Pfund, die Reeves' Haushalt vom Oktober 2024 den Bürgern in Form von Steuer- und Abgabenerhöhungen abverlangte, reichen schon jetzt nicht aus, um die aus dem Ruder laufenden Staatsausgaben zu finanzieren. Geht es nach der Parteilinken um Starmers Stellvertreterin Angela Rayner, sind statt Ausgabenkürzungen weitere Steuererhöhungen angesagt: Tax & Spend. Die Partei würde damit zu den Wurzeln zurückkehren.
Vor ihrem Amtsantritt hatte Reeves in der City of London viele für sich eingenommen. Gemeinsam mit Starmer machte sie Labour wieder salonfähig, nachdem die Partei unter Jeremy Corbyn weit nach links abgedriftet war. Die ehemalige Mitarbeiterin der Bank of England vermittelte Bankern und Bossen den Eindruck, dass auf die turbulenten Jahre nach dem Brexit eine von Stabilität und Kompetenz charakterisierte Zeit folgen würde.
Gute Beziehungen zur Finanzbranche
Weite Teile der Finanzbranche sind Labour traditionell wohlgesonnen. Das beruht durchaus auf Gegenseitigkeit. Die vor der Finanzkrise vorherrschende „Light Touch“-Regulierung ging auf Tony Blairs Schatzkanzler Alistair Darling zurück, der den Laissez-Faire-Ansatz auch nach dem Zusammenbruch von Northern Rock 2007 noch gegen Kritiker verteidigte. Auch Reeves setzt in ihrem Streben nach Wachstum auf eine Lockerung der Regulierung.
Von Labour-Linken wie Rayner wird sie als Erbsenzählerin verachtet. Anders als Gordon Brown, der das Amt ebenfalls innehatte, verfügt sie über keine eigene Hausmacht in der Partei. Auch in der City schwindet die Unterstützung für die Politikerin und ihre Regierung. Eine Konferenz, die Wirtschaftsführern und Lobbyisten für 5.000 Pfund pro Kopf die Gelegenheit zum Austausch mit Reeves und Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds geben sollte, wurde wegen mangelndem Interesse abgesagt.
Trump-Zölle sorgen für Strohfeuer
Dabei spielt weniger eine Rolle, dass das vermeintliche Schachgenie Reeves ihren Lebenslauf aufgehübscht hatte. Das ist auch in der Privatwirtschaft gang und gäbe. Es ist ihr mangelnder Erfolg dabei, die britische Wirtschaft voranzubringen, der ihr zur Last gelegt wird.
Die überraschend starke Wirtschaftsentwicklung in den ersten Monaten des Jahres war nur ein Strohfeuer. Es ging unter anderem darauf zurück, dass britische Firmen wie Jaguar Land Rover Lagerbestände in den USA aufbauten, bevor Donald Trumps Einfuhrzölle wirksam wurden.
Staatskonsum allein ist kein Rezept
Immer weniger Gesellschaften wagen einen Börsengang, immer mehr börsennotierte Unternehmen wandern nach New York ab. Die Kosten von Net Zero, steigende Sozialabgaben und erweiterte Arbeitnehmerrechte drücken die Stimmung in der Privatwirtschaft. Wenn sie schrumpft, fehlen Steuereinnahmen für den Staatskonsum, der ein wesentlicher Pfeiler des Wachstums seit Jahresbeginn war. Am Mittwoch hat sich gezeigt, dass Reeves kein Rezept dagegen hat.