Notiert in MailandLebensmittelindustrie

Italiens Lebensmittelexporte boomen

Die italienische Lebensmittelindustrie ist international erfolgreicher denn je. Nicht nur Wein, sondern auch Milch-, Fleisch- und Pasta-Produkte, Obst, Gemüse, Spirituosen und Süßwaren sind gefragt.

Italiens Lebensmittelexporte boomen

Notiert in Mailand

Im Wein liegt die Wahrheit

Von Gerhard Bläske

Wenn es um die Verteidigung der einheimischen Lebensmittel geht, dann ist der Regierung in Rom kein billiger Populismus zu blöd. Ob es um Lebensmittel aus Insekten geht oder gar um Laborfleisch, dessen Verkauf, Herstellung für den Export oder Einfuhr verboten werden soll – Italien ist dagegen und kann sich des Beifalls der einheimischen Lobby sicher sein.

Giancarlo Polegato, Wein- und Prosecco-Produzent in Venetien und Chef des renommierten Hauses Villa Sandi, freut sich, dass sich die Politiker des Landes endlich einmal einig sind. Bei der eben zu Ende gegangenen Weinmesse Vinitaly in Verona gab sich Italiens Politik ein Stelldichein und sang ein Loblied auf Italiens Lebensmittelbranche. Von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, über die Vize-Premiers Matteo Salvini und Antonio Tajani bis hin zum unwichtigsten Minister waren alle vertreten. Sogar Kunstwerke von Caravaggio und Guido Reni wurde eigens aus dem Kunstmuseum Uffizien in Florenz herangeschafft, um die enge Verbindung des Weins mit der italienischen Kultur zu unterstreichen. „Wein schadet nur denen, die ihn nicht trinken“, verkündete Regionalpräsident Luca Zaia.

Die Politiker waren sich einig, dass der Vorstoß Irlands, die Weinetiketten mit Warnungen vor Gesundheitsschäden zu versehen, abgewehrt werden muss. „Das wäre ein enormer Schaden. Der Vorschlag kann nur von einem Land kommen, das gar keinen Wein produziert“, sagt Zaia. Europa wird auch wegen strengerer Verpackungsvorschriften als Gegner gesehen. Doch die Mittel des EU-Kohäsionsfonds oder des europäischen Wiederaufbauprogramms, dessen größter Nutznießer das Land ist, nimmt man gern – solange damit keine lästigen Bedingungen verknüpft sind.

Die Weinmesse, die bereits zum 55. Mal stattfand, schloss mit einem neuen Besucherrekord. Vor allem die ausländischen Käufer strömten in Massen nach Verona. Vinitaly sieht sich als Schaufenster des italienischen Weines – auch wenn eine Vielzahl von Ländern mit ihren Angeboten präsent ist. Es gibt immer mehr Bioweine und auch der Weintourismus boomt. Italiens Weinproduzenten kommen auf einen Umsatz von 13 Mrd. Euro und exportieren Waren im Umfang von 8 Mrd. Euro.

Insgesamt hat Italiens Lebensmittelindustrie im vergangenen Jahr 49 Mrd. Euro mit ihren Ausfuhren erlöst, 18,5% mehr als im Jahr zuvor. Vor allem in den USA sind die Produkte immer stärker gefragt. Die USA könnten Deutschland bald vom ersten Platz der wichtigsten Exportländer Italiens verdrängen. Die Branche trägt 12,5% zum Bruttoinlandsprodukt bei und zählt 1,6 Millionen Beschäftigte. Zu den wichtigsten Exportgütern zählen neben Weinen und Spirituosen auch Getränke wie Säfte und Wasser, Kaffee, Obst und Gemüse, Milchprodukte, Wurstwaren und Fleisch, aber auch Süßwaren. Neben den Kaffeeherstellern Illy, Lavazza und Segafredo sind Namen wie Ferrero (Nutella), Campari, San Pellegrino, Barilla, De Cecco, Parmalat, Galbani, Mutti oder Zuegg weltweit bekannt. Und Italien tut alles, damit die Welt das auch weiß: Das Segelschulschiff Amerigo Vespucci startet im Juli zu einer zweijährigen Werbetour um die Welt im Dienste des „Made in Italy“. Und auch das Industrieministerium trägt seit Amtsantritt den Zusatz „Made in Italy“.

Doch so sehr sich Rom auch anstrengt: Die Probleme der Branche lassen sich nicht verleugnen. Es fehlen Hunderttausende von Arbeitskräften in der Branche. Zumindest in der Landwirtschaft sind die für Hungerlöhne schuftenden Migranten willkommen, weshalb die in der Flüchtlingspolitik sonst so forsche Meloni sich seit kurzem für mehr legale Einwanderung einsetzt. Auch die zunehmende Trockenheit, verbunden mit mehrwöchigen Hitzewellen, macht der Branche zu schaffen und zwingt auch die Weinproduzenten dazu, über neue Methoden und den Anbau anderer Rebsorten nachzudenken.

Ein Teil der Probleme der Landwirtschaft ist auch hausgemacht: durch Überdüngung und Massentierhaltung. Doch darüber spricht die Lebensmittelbranche weniger gern.

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