Lizenz zum Gelddrucken
RWE
Lizenz zum Gelddrucken
Von Annette Becker
Mal wieder hat RWE die Analystenerwartungen übertroffen. Mit 3,4 Mrd. Euro bewegt sich das bereinigte Nettoergebnis nach neun Monaten nicht nur spürbar über der für das Gesamtjahr ausgegebenen Mindestgröße, sondern es hat sich im Vergleich zum Vorjahr schon mehr als verdoppelt. Das operative Ergebnis im Kerngeschäft steht dem kaum nach. Hier fehlen bis zum unteren Rand des Zielkorridors nach neun Monaten nur noch 10%. Dabei hatte die günstige Geschäftsentwicklung den Essener Stromerzeuger schon im Juli veranlasst, die Prognose deutlich zu erhöhen.
RWE ist es gelungen, nahtlos an die Entwicklung aus dem Vorjahr anzuknüpfen. War der üppige Gewinnsprung 2022 zumeist als Sondereffekt im Gefolge der Energiekrise abgetan worden, scheint RWE mit der strikten Ausrichtung auf erneuerbare Energien die Lizenz zum Gelddrucken aufgetan zu haben.
Doch dieser Eindruck trügt. Denn wer genau hinschaut, erkennt, dass zwei Drittel der Erträge aus dem Energiehandel sowie dem internationalen Erzeugungsgeschäft – allen voran mit Gaskraftwerken – stammen. Mit den viel besungenen Erneuerbaren wurden in den ersten neun Monaten zwar auch um 22% höhere Erträge erwirtschaftet, ein Teil davon geht aber auf das Konto der Übernahme in den USA.
Damit soll die Leistung von RWE aber mitnichten kleingeredet werden. Denn wie der Blick auf Orsted, den weltgrößten Windparkbetreiber aus Dänemark, zeigt, ist es im gegenwärtigen Umfeld gar nicht so einfach, Windparkprojekte auf See so umzusetzen, dass die Anlagen am Ende auch Gewinn abwerfen. Erst kürzlich hatten die Dänen zwei große Offshore-Projekte in den USA storniert, weil die Kosten aus dem Ruder gelaufen waren. Gestern mussten mit dem CFO und dem COO gleich zwei Vorstände ihren Hut nehmen.
RWE wähnt sich in diesem Kontext auf der sicheren Seite, werden langfristige Abnahmeverträge für Offshore-Kapazitäten doch erst dann abgeschlossen, wenn die Investitionskosten verlässlich planbar und die erforderlichen Komponenten von der Turbine über die Rotorblätter bis hin zu den Spezialschiffen für den Transport gesichert sind. Die dafür erforderliche Expertise ist in Essen offensichtlich vorhanden.
Der eigentliche Clou der RWE-Story ist aber, dass der Konzern ungeachtet der veränderten Zinsbedingungen wie wild investiert. Allein im ersten Quartal wurden 8,2 Mrd. Euro in die Hand genommen. Davon waren 90% taxonomiekonform. Wird dieser Expansionspfad beibehalten, ist es zur Gelddrucklizenz tatsächlich nicht mehr weit.