LeitartikelItalien

Meloni muss jetzt liefern

Italiens Premierministerin Giorgia Meloni ist gut in ihre Amtszeit gestartet. Doch die Lösung der wahren Probleme des Landes hat sie bisher nicht in Angriff genommen.

Meloni muss jetzt liefern

Italien

Meloni muss jetzt liefern

Giorgia Meloni hat bisher nicht erkennen lassen, wie sie die tiefen strukturellen Probleme des Landes lösen will.

Von Gerhard Bläske

Nach dem Tod von Ex-Premier Silvio Berlusconi kehrt Normalität in Italien ein. Für Premierministerin Giorgia Meloni bedeutet das Ableben ihres früheren Mentors eine weitere Stärkung ihrer Position. Denn mehr als die Opposition machen ihr bisher Widersacher im eigenen Lager zu schaffen. Berlusconi war, bei aller grundsätzlichen Solidarität, einer von ihnen. Seine Partei Forza Italia dürfte wohl zu Meloni überlaufen.

Die Premierministerin segelt auf einer Erfolgswelle. Die Wirtschaft wächst weiter. Das liegt an der Politik ihres Vorgängers Mario Draghi, den Hilfen aus dem europäischen Aufbauprogramm, aber auch an den vielen großzügigen Boni für Bevölkerung und Unternehmen, die allmählich auslaufen. Es liegt aber auch an der Wirtschaftskraft italienischer Unternehmen, die – unabhängig von der politischen Couleur der häufig wechselnden Regierungen – dank Innovationen, gutem Design und Qualität, aber auch dank vergleichsweise niedrigen Löhnen international sehr erfolgreich sind. Und es liegt an der massiven Rückkehr der Touristen.

Das ist nicht das Verdienst Melonis, die auf internationaler Ebene geschickt und diplomatisch vorgeht. Für sie kommt jetzt die mühevolle Arbeit im Detail. Sie muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Italien den für eine dauerhafte Gesundung dringend nötigen strukturellen Wandel schafft. Die Herausforderungen sind groß. Geschehen ist in der bisher achtmonatigen Amtszeit Melonis aber wenig.

Die von der EU im Gegenzug für großzügige Hilfen verlangte Reform des Wettbewerbsrechts oder eine Katasterreform kommen nicht voran oder wurden beerdigt. Italien blockiert als einziges EU-Land seit Monaten die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und will die Mittel daraus lieber gleich verbraten. Die ausufernde Bürokratie verhindert die Verwendung der Mittel des europäischen Wiederaufbauprogramms, dessen größter Nutznießer Italien ist. Außerdem sind die geplanten Projekte nicht überzeugend. Bei der von Brüssel verlangten Überarbeitung des Programms kommt Rom seit Monaten nicht voran. Und im Hinblick auf die Reform des Stabilitätspakts, den Meloni viel weicher gestalten will, gibt es Differenzen in Europa.

Für die Premierministerin spricht zwar, dass die hohen Schulden von zuletzt 144% des Bruttoinlandsprodukts sinken. Das ist aber vor allem den dank der (noch) wachsenden Wirtschaft sprudelnden Steuereinnahmen und nicht etwa Reformen oder Ausgabensenkungen geschuldet. Angesichts der steigenden Zinsen könnte sich die Lage schnell ändern: Der Schuldendienst steigt massiv, die Refinanzierung für Staat und Unternehmen wird deutlich teurer.

Meloni setzt vor allem auf den Staat: Mit massiven Interventionen wie bei Telecom Italia (TIM) oder in der Stahlindustrie sowie mit der Ausweitung von Golden-Power-Regelungen. Die Spitzenpositionen der Unternehmen mit Staatsbeteiligungen sowie des staatlichen Fernsehsenders RAI wurden konsequent mit Vertrauten besetzt, eine Justizreform schränkt Befugnisse von Richtern, etwa wegen Amtsmissbrauch zu ermitteln, massiv ein. Großzügige Vorruhestandsregelungen wurden verlängert, obwohl Italien mit 16% des Bruttoinlandsprodukts mehr für Rentenzahlungen ausgibt als andere Länder und vor gewaltigen demografischen Problemen steht. Die geplante Flat Tax, die sozial höchst ungerecht wäre, ist nicht gegenfinanziert.

Meloni hat bisher nicht erkennen lassen, wie sie die tiefen strukturellen Probleme lösen will: die überbordende Bürokratie, den Bevölkerungsschwund, die katastrophale Lage des Bildungswesens und des Gesundheitssystems, das in der Corona-Pandemie versagt hat, die weiter gewachsene Kluft zwischen Nord- und Süditalien, die organisierte Kriminalität. Sie plant lieber eine Verfassungsreform mit einer Stärkung der Rolle des Regierungschefs.

Ohne Hilfen aus Europa, das auf eine strikte Einhaltung der damit verbundenen Verpflichtungen dringen muss, kann sie es nicht schaffen. Doch Geld allein reicht nicht. Es braucht Willen, Mut, Reformen – und nicht Rezepte aus der Vergangenheit, die Italien erst in diese Lage gebracht haben.

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