Commerzbank

Mission geglückt

Der scheidende Aufsichtsratschef Helmut Gottschalk hat sich für die Commerzbank als Glücksgriff erwiesen.

Mission geglückt

Auf der Liste der Tugenden, die sich Konzerne heutzutage verordnen, steht personelle Vielfalt ziemlich weit oben. Das liegt zum einen daran, dass bunt zusammengewürfelte Teams erwiesenermaßen besser in der Lage sind, Probleme zu lösen. Ein anderer liegt darin, dass der zunehmende Fachkräftemangel es zu einer volkswirtschaftlichen Notwendigkeit macht, möglichst alle sich bietenden Reserven des Arbeitsmarkts zu heben. Waren es vor diesem Hintergrund zunächst die Frauen, die vor allem in Großunternehmen gezielt ge- und befördert wurden, bemühen sich inzwischen immer mehr Personalabteilungen darum, Beschäftigte in Führungspositionen zu bringen, die es auf dem Weg dahin in der Vergangenheit besonders schwer hatten, etwa wegen ihres fremdländisch klingenden Namens, einer offen gelebten Homosexualität, ihrer Hautfarbe oder ihrer Religion.

Als Helmut Gottschalk vor gut anderthalb Jahren den Aufsichtsratsvorsitz der Commerzbank übernahm, war mancherorts Spott und Lästerei zu vernehmen. Zwar brachte der erfahrene Banker als glücklich verheirateter Schwabe fast alle Attribute mit, die bereits in den 1980er Jahren die Chefetagen dominierten. Hinter vorgehaltener Hand mokierten sich jedoch nicht wenige über sein fortgeschrittenes Alter.

Wie solle ausgerechnet ein beinahe 70-Jähriger das ins Hintertreffen geratene Institut in die Zukunft führen, war da zu hören. Da Gottschalk nicht mehr allzu weit von der Altersgrenze stand, drohe der Commerzbank schon bald wieder eine Lücke an der Aufsichtsratsspitze. Doch die kritischen Stimmen sollten Unrecht behalten. Tatsächlich hat sich Gottschalk, der einsprang, um das Werk seines nur ein Jahr jüngeren Vorgängers Hans-Jörg Vetter zu vollenden, der aus gesundheitlichen Gründen plötzlich zurücktreten musste, als echter Glücksgriff für die Commerzbank erwiesen. Der vielleicht prominenteste Beweis dafür ist die rechtzeitige und souveräne Lösung, die Gottschalk für die eigene Nachfolge präsentiert hat. Noch bevor die Spekulationen losgingen, gelang es ihm, mit Ex-Bundesbankchef Jens Weidmann einen Kandidaten vorzuschlagen, den kaum jemand auf dem Schirm gehabt haben dürfte, obgleich er die besten Voraussetzungen für die Aufgabe mitbringt. Weidmann mag kein ausgewiesener Bankenspezialist sein, doch die Probleme, denen sich die Commerzbank in den nächsten Jahren stellen muss, sind auch völlig andere als die betriebswirtschaftliche Sanierung, denen sich das Institut in der Ägide Gottschalk stellen musste. Nun wird es zunächst darum gehen, stabil durch die anrollende Rezession zu kommen, die für die Commerzbank mit ihren vielen mittelständischen Kunden besonders ungemütlich zu werden droht. Und in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft geht es darum, den Staat als Aktionär loszuwerden. Wer sollte diesen Prozess besser mitsteuern können als Weidmann, der im Kanzleramt saß, als die Commerzbank gerettet wurde?

Dass die Commerzbank heute wieder in der Situation ist, über eine vollständige Reprivatisierung nachzudenken, ist ein weiterer Verdienst Gottschalks. Dem langjährigen Genossenschaftsbanker gelang es nicht nur, dem ebenfalls neu angetretenen Vorstandschef Manfred Knof den Rücken für die Restrukturierung weitgehend freizuhalten. Vielleicht noch wichtiger war die Konsequenz, mit der er die alten Seilschaften zerschlug, an denen über viele Jahre jeder Versuch, die Commerzbank-Strategie an die Marktbedingungen anzupassen, gescheitert war. So liebenswürdig und bescheiden der gewiefte Stratege Gottschalk im persönlichen Gespräch auch auftritt, setzt er auch schmerzhafte Personalentscheidungen beherzt um, wenn er sie für erforderlich hält.

Für die Commerzbank stellte die unter Gottschalks Ägide betriebene Neuausrichtung des Vorstands einen echten Kulturschock dar. Dem Stil des Hauses hatte es immer entsprochen, den Vorstandschef in den eigenen Reihen zu suchen und nach Möglichkeit anschließend in den Aufsichtsrat wechseln zu lassen. Gute Unternehmensführung sieht anders aus, denn eine solche Unternehmenskultur verleitet dazu, Fehler zu kaschieren und kleinzureden. Das wirksamste Gegenmittel ist die Berufung externer Kandidaten in den Vorstand und ein Vergütungssystem, das sich an messbarer Managementleistung orientiert. Wenn langjährige Commerzbanker heute beklagen, dass das Institut nicht mehr das ihre ist, kann man Gottschalk daher nur zu seiner offenbar geglückten Mission gratulieren.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.